Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
fast keine Luft mehr hat, scheinen Schmerzen einfach nicht mehr wichtig zu sein.« Ortega nickte.
»Das kann ich verstehen. Eine gute Einstellung. Wir mußten schnell operieren, um Ihr Leben zu retten, das heißt, Dr. Muhar und seine Mitarbeiter mußten das tun. Ich möchte nicht, daß Sie in Panik geraten, wenn ich das sage, weil es nicht von Dauer ist, aber im Augenblick sind Sie völlig gelähmt.«
Das hinderte Yulin nicht daran, vor Entsetzen zusammenzuzucken. Zu seiner eigenen Überraschung begann er leise zu weinen.
»Ich sagte, der Zustand ist nicht von Dauer«, versicherte Ortega. »Nichts ist auf der Schacht-Welt von Dauer, wenn man hier ankommt – und möglicherweise nicht einmal später. Nehmen Sie mich. Ich war ein Angehöriger Ihrer eigenen Rasse, zäh und klein wie Sie, als ich hierherkam. Die Schacht-Welt behebt, was mit einem nicht stimmt, aber sie verändert einen auch.«
»Was – was meinen Sie damit?«
»Ich habe gewartet, bis Sie zu sich kamen, bevor ich alles erkläre. Inzwischen habe ich keine Zeit vergeudet. Wir wissen, was wir vor uns haben, und das ist an sich schon eine Erleichterung.« Er wandte sich Trelig zu und nickte. »Bringen Sie das Mädchen herein.«
Trelig ging kurz hinaus und kam mit Zinder herein. Die Konditionierung hielt, stellte Yulin fest. Sie reagierte auf Yulin in dieser Verfassung genauso, wie die richtige Nikki auf die richtige Mavra reagiert hätte.
»Wie gesagt, ich hätte gern wenigstens einen von Ihnen eine Weile hierbehalten, während wir uns mit der neuen Lage befassen«, fuhr Ortega fort, »aber mit dem Schwammproblem und dem kritischen Zustand von Bürgerin Tschang ist das nicht möglich. Der Botschaftsrat hat deshalb entschieden, daß Sie so schnell wie möglich eingeweiht und durch den Schacht geschickt werden sollen.«
»Das ist also eine Botschaft?« sagte Trelig. »Das habe ich mir beinahe gedacht.«
»Sämtliche Sechsecke der südlichen Halbkugel haben hier Vertretungen, auch wenn sie nicht alle benützt werden«, erwiderte Ortega. »Das ist der einzige Weg zur wechselseitigen Kommunikation. Es gibt fünfzehnhundertsechzig Hexagons auf der Schacht-Welt. Die siebenhundertachtzig südlich der Äquatorbarriere – Sie haben vielleicht auch gesehen, daß es wirklich eine Barriere ist – enthalten entweder auf Kohlenstoff basierendes Leben oder können in einer Umwelt auf Kohlenstoffgrundlage existieren. Die nördliche Hälfte, die anderen siebenhundertachtzig enthalten Leben, das nicht auf Kohlenstoff beruht. Sie erlebten Uchjin im Norden und haben eine Vorstellung davon, wie verschiedenartig die Formen dort sein können.«
Die drei Menschen nickten.
»Ich möchte aber ganz weit ausholen. Der Anfang war, was diese Welt angeht, eine Rasse von Wesen, die bei Ihnen die Markovier genannt werden. Eine große Rasse. Sie sahen ungefähr aus wie riesige menschliche Herzen mit sechs gleichmäßig verteilten Fühlern. So wie die menschliche Zahlenkunde auf Fünf, Zehn oder Zwanzig beruhte, gründete ihre Mathematik auf der Sechs. Diese Zahl beherrschte ihr ganzes Leben – deshalb haben wir Sechsecke, und deshalb gibt es 1560 davon. Fast eine perfekte Zahl für Wesen, die alles auf die Sechs abstellten. Es gibt sogar die Meinung, daß sie sechs Geschlechter hatten, aber lassen wir das. Jedenfalls erreichten sie die höchste Ebene physischer Entwicklung, die man für erreichbar hält, und, was ebenso wichtig ist, sie erreichten auch die höchste Stufe materieller Technologie. Ihre Welten waren über viele Galaxien verstreut – nicht Sternsysteme, Galaxien! Sie bauten auf einer Welt einen örtlichen Computer, programmierten ihn mit allem, was sie sich vorstellen konnten, dann legten sie eine Felskruste darum. Sie bauten ihre Städte, und jeder Markovier war geistig mit dem Computer verbunden. Die Architektur war nur ein gemeinsamer Bezugsrahmen, denn durch die Verbindung mit ihren Computern konnten sie sich einfach wünschen, was immer sie wollten, und der Computer nahm eine Umwandlung von Energie in Materie vor, und da war es.«
»Hört sich nach einem gottähnlichen Dasein an«, meinte Trelig. »Was ist mit ihnen geschehen? Ich weiß ein wenig von den Markoviern. Sie sind alle tot.«
»Alle bis auf einen«, bestätigte Ortega. »Was sie getötet hat, war im Grunde die Langeweile. Unsterblich, jeder Wunsch sofort erfüllt, und sie kamen sich vor, als verrotteten sie – oder als fehle ihnen etwas. Der Gipfel materiellen Glücks war erreicht, und er
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