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Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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gezwungen, in die Augen des Gedemondaners zu blicken, gezwungen, zu antworten.
    »Ich habe ihn sehr geliebt.«
    Er nickte.
    »Und hast du ihn geliebt, weil er gestorben ist?«
    »Natürlich nicht!« Sie wünschte sich, daß das alles vorbei sein möge.
    »Siehst du. Du betrauerst ihn wegen des schönen Lebens, das du mit ihm zusammen geführt hast. Nur das Leben hat Sinn, nicht der Tod, närrisches Kind. Komm, ich will dir an Hilfe geben, was ich kann.«
    Ihre Gedanken waren plötzlich wie in Nebel gehüllt. Sie fühlte etwas, eine Energie, etwas Fremdartiges und doch Warmes, Gütiges, durchaus nichts Bedrohliches. Es war keine Hypnose oder Gedankenkontrolle, nur eine Art Verstärkung dessen, was der Gedemondaner gesagt hatte.
    Das riesige weiße Wesen ging zu einer Wand neben dem Tor und begann Staub abzureiben, so viel, daß sein Arm grau wurde. Zu ihrer Überraschung war es eine polierte Fläche, wie aus Glas und offenbar doch natürlicher Art.
    »Massiver Obsidian«, erklärte er. »In den frühesten Tagen diese Hexagons geglättet und poliert. Da, schau hinein und sag mir, was du siehst.«
    Neugierig und ein wenig belustigt durch das, was sie als Rabatt-Psychologie empfand, trat sie hin und schaute hinein. Sie sah sich selbst widergespiegelt.
    »Ich unterdrücke bestimmte Nervenschaltungen in deinem Gehirn«, teilte er ihr mit. »Es hat nichts mit Denken oder Urteil zu tun, sondern dämpft, sagen wir, die äußeren Dinge, die unser Denken stets beeinflussen. Es ist etwas Kleines, aber nützlich. Ich bezweifle, ob wir hier miteinander auskämen, wenn wir nicht die Fähigkeit hätten, das selbst zu tun, wenn es notwendig wird. Wir können es dir ganz leicht beibringen, weil es sich nur um bewußte Steuerung von Dingen handelt, die das Gehirn ohnehin leistet, aber in vielen Fällen mit weniger Erfolg.«
    In den Schattenwinkeln ihres Denkens gab es keine Alpträume, keine lauernden Monster mehr. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich freier und klarer als je zuvor. Es schien seltsam zu sein, daß im Gehirn etwas zu dämpfen dazu führte, daß es frischer, auf eine bestimmte Weise reiner wurde.
    Sie blickte wieder auf ihr Spiegelbild und dachte, beinahe verwundert: Das bin ich. Gesicht, Brust, lange, fließende, blonde Haare, bis hinab zu dem goldenen Pferdeleib, der perfekt geformt, dem übrigen genau angepaßt zu sein schien, dazugehörig, ein Teil des Ganzen. Sie hatte aus irgendeinem Grund sich Zentauren, ob Rhone oder Dillianer, stets als Menschen mit hinten angeklebtem Pferd vorgestellt. Jetzt sah sie, daß das gar nicht zutraf; sie war jetzt ein eindeutiges, logisches Wesen, eines, das in vieler Beziehung der Form, mit der sie geboren war, weit überlegen zu sein schien. Und der Gedemondaner hatte recht gehabt, wie sie begriff. Die Person, an die sie sich erinnerte, war nicht wirklich sie, nicht mehr. Es war nie wirklich sie gewesen. Ihre äußerliche Form und Erscheinung, vor so langer Zeit so bewußt zusammengestellt, war nicht authentischer gewesen als ihre jetzige.
    Und was war Form eigentlich? Doch nur etwas, das die Dinge erschwerte oder erleichterte, je nach Standpunkt. Im Inneren, wo es zählte, hinter den Augen jener, für die sie etwas empfunden hatte, da lag Wahrheit. Ihr ganzes Leben lang hatte sie, das begriff sie jetzt, während sie die wohlgeformte Gestalt im Obsidian betrachtete, für die Zukunft gelebt oder die Vergangenheit betrauert. Sieben Jahre, sieben kurze Jahre vor so langer Zeit, waren das einzige leuchtende, schimmernde Juwel. Nicht ihrer Leistungen wegen – sie konnte auf vieles verweisen und war stolz darauf –, sondern wegen des Lebens, der wirklichen Freude am Leben.
    Sie drehte sich nach dem Gedemondaner um.
    »Ja, das möchte ich eines Tages lernen. Ich glaube, ihr habt uns anderen viel beizubringen. Vielleicht wäre das die ideale Rolle für euch.«
    Er nickte.
    »Es wird bedacht werden.«
    Sie schwieg einen Augenblick.
    »Ich glaube, wir sind jetzt bereit, zu gehen«, sagte sie schließlich. Sie umarmte ihn, und wenn er hätte lächeln können, hätte er es gewiß getan. Schließlich sagte sie: »Euer Volk scheint so viel klüger, so viel weiter zu sein als jedes andere, das ich kenne. Es sollten mehr lernen können, was ihr wißt.«
    Der Gedemondaner hob die Schultern.
    »Mag sein. Aber vergiß nicht, daß Gedemondaner und Dillianer gleichzeitig in das Universum hinausgezogen sind. Deine Rasse überlebte, wuchs, baute und dehnte sich aus. Die unsrige starb aus.« Er winkte

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