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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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sich etwas besser. Am Tag zuvor, nachdem er aus dem Spital geflüchtet war, hatte er nur zwei Stunden im Büro verbracht. Heute würde seine Energie sicher für einen ganzen Tag reichen, dachte er.
    In seinem alten Volvo kroch er durch den späten Morgenverkehr in Richtung Triemli. Er hatte Dr. Häberli versprochen, wenigstens zu einer Kontrolle vorbeizukommen.
    Ein paarmal hatte er mit dem Gipsfuß nebst Kupplung auch die Bremse erwischt. Passiert war zum Glück nichts. Autofahren war ein Kraftakt, an der Grenze des Machbaren. Aber es war besser, als in diesem traurigen Spital übernachten zu müssen.
    Mit Schaudern dachte der Kommissar an das kurze, offene Nachthemd, das man ihm gegeben hatte, und daran, wie ärmlich es aussehen musste, wenn der Hintern im Freien hing.
    Die Ärztin schien zufrieden. Die Schwellungen an Stirn und Wange waren zurückgegangen. »Das wird schon«, meinte sie und tupfte mit feuchter Gaze das verkrustete Blut weg.
    Eschenbach zählte die Sommersprossen auf ihrer Nase.
    Die genähte Platzwunde über dem Auge wurde mit einem neuen Pflaster versehen und die Nase mit einer Schiene und einem Klebeverband stabilisiert. »Hoffen wir, dass sie einigermaßen gerade zusammenwächst«, sagte Häberli. Und zu den immer größer werdenden blauschwarzen Flecken meinte sie: »Nach zwei, drei Tagen sehen Verletzungen immer am schlimmsten aus.«
    Als Eschenbach kurz nach elf im Büro eintraf, wurde er mit Entsetzen begrüßt.
    »Es ist ja schlimmer geworden«, sagte Rosa, die ihn aus der Nähe betrachtete.
    »Sieht schlimmer aus, aber fühlt sich besser an.«
    »Unlogisch«, fand Rosa. Dann erzählte sie Eschenbach, dass ihr Findelkind nun pädagogisch betreut werde.
    »Ach ja? Seit wann?« Eschenbach hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.
    »Heute Morgen.« Rosa fingerte nervös an der Brille, die an einem goldenen Kettchen über ihrem Dekolleté baumelte. »Es ging nicht, wissen Sie. Er hat hier alles durcheinander …«
    Es klang wie eine Niederlage.
    »Der hat sich doch wohl gefühlt, und mit etwas Geduld … Mit Kindern braucht es nur Geduld. Alles andere bringt nichts.«
    »Sie waren gestern …« Rosa hielt einen Moment inne. »Ichmeine, Sie sind ja nur kurz hier gewesen. Und da hat es auch geklappt. Aber nachdem Sie gegangen sind …« Rosa zögerte.
    »Er hat Ihnen also am Nerv gerissen.«
    »Nein! Er hat den Papierkorb angezündet …«
    Eschenbach lachte schallend.
    »Das ist nicht lustig, Kommissario! Das ist gefährlich. In Ihrem Büro ist jetzt alles …« Rosa hob die Hände wie ein Fußballer nach einem Foulspiel. »Ich kann auch nichts dafür … Die ganzen Feuerzeuge, die bei Ihnen immer herumliegen.«
    »Meinen Papierkorb?«
    »Wir haben mit Frau Dr. Kirchgässner eine ausgewiesene Spezialistin. Sie arbeitet mit dem Kleinen jetzt.«
    »Arbeitet?« Eschenbach setzte sich auf Rosas Pult, seufzte und ließ den Gipsfuß baumeln.
    »So sagt man doch … pädagogische Arbeit.« Rosa hob die Schultern.
    »Spricht er denn?«, hakte Eschenbach nach.
    »Nein, noch nicht. Sie malen und zeichnen.«
    »Ach ja? Und kann ich das mal sehen?«
    »Wenn Sie sich jetzt Strichmännchen oder sonst einen Hinweis vorstellen, muss ich Sie enttäuschen.«
    »Was ist es denn?«
    »Sonnenuntergänge.« Rosa sagte es mit heiligem Ernst. »Mit Wasserfarben … schöne Aquarelle, hat Frau Kirchgässner gesagt.«
    »Warum keine Sonnenaufgänge?«
    »Sie nehmen die Sache nicht seriös«, sagte Rosa. »Ich habe es gleich gewusst.«
    »So seriös es eben geht«, schnaufte Eschenbach und spielte mit den Krücken. »Ich kann auch nichts dafür, dass ich außer Gefecht gesetzt wurde … Hätte mich gerne selbst um den Jungen gekümmert. Jetzt hockt er bei irgend so einer Sozialdings und die Sache entgleitet uns.«
    »Frau Dr. Kirchgässner ist immerhin Ärztin.«
    »Ich habe genug von Ärzten.«
    »Haben Sie denn immer noch Schmerzen?«
    »Es geht.« Eschenbach stützte sich auf die Krücken und stand auf. »Manchmal könnte ich aus der Haut fahren.«
    Rosa nickte verständnisvoll.
    »Aber er wohnt doch noch bei Ihnen … hoffe ich doch.« Der Kommissar sah Rosa erwartungsvoll an.
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Frau Dr. Kirchgässner meinte, es wäre besser so. Er braucht ein anderes Umfeld … und in einem Heim hat es auch andere Kinder.«
    »Ein Heim«, murmelte Eschenbach. Dann humpelte er langsam und mit grimmiger Miene in sein Büro. Es war so gekommen, wie er befürchtet hatte, dachte er. Manchmal

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