Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition)
Sanatorium und bis zum Morgen des 19. August war mir von der Vorbereitung einer Verschwörung nichts bekannt. Niemand hat mir gegenüber von deren Organisation und Organisatoren gesprochen, auch nicht in Andeutungen, an ihrer Vorbereitung und Umsetzung war ich also in keiner Weise beteiligt. Am Morgen des 19. August, nachdem ich im Fernsehen die Erklärung des obengenannten ›Komitees‹ gehört hatte, entschied ich selbst, nach Moskau zu fliegen. Um 8 Uhr abends traf ich mich mit G.I. Janajew. Ich sagte ihm, ich billigte das vom ›Komitee‹ formulierte Programm und seinen Aufruf an das Volk, und bot ihm meine Zusammenarbeit als Berater des kommissarischen Präsidenten der UdSSR an. G.I. Janajew war einverstanden, setzte aber, da er sehr beschäftigt sei, ein nächstes Treffen erst für den 20. August gegen 12 Uhr an. Er sagte, das ›Komitee‹ verfüge noch über keine systematischen Informationen über die Lage und es wäre gut, wenn ich mich darum kümmern könnte …
Am Morgen des 20. August traf ich mich mit O.D. Baklanow, der den gleichen Auftrag erhalten hatte. Wir beschlossen, in dieser Frage zusammenzuarbeiten … Wir versammelten eine Gruppe aus Vertretern verschiedener Behörden und organisierten das Sammeln von Informationen und die Analyse der Lage. Praktisch verfasste diese Arbeitsgruppe zwei Berichte: zu 9 Uhr abends am 20. August und zum Morgen des 21. August. Beide wurden auf der Sitzung des ›Komitees‹ ausgewertet.
Außerdem arbeitete ich am 21. August am Entwurf eines Berichts von G.I. Janajew vor dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR . Am Abend des 20. August und am Morgen des 21. August nahm ich an den Sitzungen des ›Komitees‹ teil, das heißt, an dem Teil, der in Anwesenheit von eingeladenen Personen stattfand. Das waren meine Aktivitäten am 20. und 21. August. Außerdem traf ich mich am 20. August gegen 3 Uhr nachmittags mit Verteidigungsminister Jasow, auf dessen Bitte hin. Er sagte, die Lage werde komplizierter, und äußerte Zweifel am Erfolg des Vorhabens. Nach unserem Gespräch bat er mich, ihn zum stellvertretenden Verteidigungsminister General Atschalow zu begleiten, wo an einem Plan zur Besetzung des Gebäudes des Obersten Sowjets der RSFSR gearbeitet wurde. Er hörte Atschalow drei Minuten lang an, lediglich zur Zusammensetzung der Truppen und zum Zeitplan des Vorgehens. Ich habe niemandem Fragen gestellt …
Warum bin ich aus eigenem Antrieb nach Moskau gefahren – niemand hatte mich aus Sotschi abberufen – und habe im ›Komitee‹ mitgearbeitet? Ich war doch überzeugt, dass dieses Abenteuer eine Niederlage erleiden würde, und fand mich darin in Moskau erneut bestätigt. Es ist so, dass ich seit 1990 überzeugt war, und das bin ich noch heute, dass unser Land dem Untergang entgegengeht. Dass es bald zersplittert sein wird. Ich habe nach einer Form gesucht, das vernehmlich zu äußern. Ich glaubte, meine Beteiligung an den Aktivitäten des ›Komitees‹ und die anschließende Untersuchung würden mir die Möglichkeit geben, das deutlich zu erklären. Das klingt vermutlich naiv und wenig überzeugend, aber so ist es. Es gab keinerlei eigennützige Motive für diese meine Entscheidung …«
Aus dem Notizbuch, August 1991
»… Gorbatschow ist mir teuer, aber das Vaterland ist mir teurer! Möge in der Geschichte wenigstens eine Spur bleiben – dass gegen den Untergang eines so großen Staates protestiert wurde. Und dann mag die Geschichte entscheiden, wer recht hatte und wer schuld war …«
Aus dem Bericht von N.
(Er hat darum gebeten, seinen Namen und seine Position im Kreml nicht zu erwähnen.)
Ein seltener Zeuge. Aus dem Allerheiligsten – dem Kreml, der wichtigsten Zitadelle des Kommunismus. Ein Zeuge aus jenem Leben, das uns verborgen war. Das bewacht wurde wie das Leben der Kaiser von China. Irdischer Götter. Ich musste ihn lange überreden.
Aus unseren Telefonaten
… von wegen Geschichte! Sie wollen »heiße Fakten«, irgendetwas Pikantes, Anrüchiges? Auf Blut, auf Fleisch beißen doch alle an. Der Tod ist zur Ware geworden. Alles wird zu Markte getragen. Der Spießer wird begeistert sein … einen Adrenalinstoß kriegen … Nicht jeden Tag fällt ein Imperium … Liegt mit der Schnauze im Dreck! Im Blut! Und nicht jeden Tag begeht ein Marschall eines Imperiums Selbstmord … hängt sich im Kreml an einem Heizkörper auf …
Warum er gegangen ist? Sein Land war gegangen, und er ist mit ihm gegangen, er hat sich hier nicht
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