See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
weiter darauf einzugehen, fragte Ryan: »Wie viele Armbänder gab es denn noch?«
»Insgesamt fünf. Außer Joanna, Millie und mir hatten noch Shannon Ciprati und Kate Reynolds eines.« Tess runzelte die Stirn. »Meinst du, die Armbänder haben etwas mit Joannas Tod und Millies Verschwinden zu tun?«
Einen Augenblick überlegte Ryan, dann zuckte er die Achseln. »Wahrscheinlich nicht. Mir fällt jedenfalls kein plausibler Zusammenhang ein, den es da geben könnte.«
Tess rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Der Anblick der Fotos hatte sie ziemlich mitgenommen, wenn auch nicht so schlimm wie erwartet. »Du hast recht«, meinte sie schließlich. »Es war wohl einfach Zufall. Claire und Susannah hatten ja auch keins der Armbänder.«
Nachdem sie die Akten und Ellens Notizen über den Mord an Joanna gemeinsam durchgegangen waren, beschlossen sie, eine kleine Pause einzulegen. Tess presste ein paar Orangen aus und füllte den Saft in zwei Gläser. Eine kleine Erfrischung konnten sie beide nach den grauenhaften Fotos gut gebrauchen.
Ryan stand währenddessen am Küchenfenster und blickte in den kleinen, aber gepflegten Garten hinaus.
»Deine Tante hat sich mit ihren Pflanzen viel Mühe gegeben«, bemerkte er nach einem Blick auf die geschickt verteilten bunten Blüten. »Ich habe selten einen so schönen Garten gesehen.«
»Ich denke sie hatte das, was man gemeinhin einen grünen Daumen nennt«, gab Tess lächelnd zurück. »Ich weiß nicht, wie es in den letzten Jahren gewesen ist, aber früher hat sie immer selbst Obst und Gemüse angebaut. Vor allem nach den frisch gepflückten Erdbeeren waren Jared und ich ganz verrückt.« Sie reichte Ryan das Glas mit dem Orangensaft.
Nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte, fragte er vorsichtig: »Sag mal, vorhin, als wir über Joannas Tod gesprochen haben, hast du immer vom Täter oder vom Mörder geredet, aber nie von Jared.« Er musterte sie forschend. »Glaubst du eigentlich, dass er Joanna erstochen hat?«
Eine Weile schwieg Tess nachdenklich, dann seufzte sie: »Wenn ich das nur wüsste. Irgendwie bin ich in dieser Frage hin- und hergerissen. Manchmal bin ich ganz fest davon überzeugt, dass er so etwas niemals getan hätte, und dann wieder bekomme ich Zweifel und denke, er war es vielleicht doch. Weißt du, Jared war an sich sehr charmant und hilfsbereit. Für mich war er immer da. Wir sind ja zusammen aufgewachsen und er war für mich immer wie ein großer Bruder.«
Tess zögerte einen Moment. Sie drehte sich zum Fenster und starrte abwesend in den Garten, als sie weitersprach. »Aber andererseits war er auch sehr impulsiv und aufbrausend, manchmal sogar jähzornig. Im Streit hat er oft Dinge gesagt, die er hinterher bereut hat. Ich hatte schon einige Male Angst vor ihm, wenn wir uns wegen irgendwas heftig gefetzt haben. Aber er ist mir gegenüber nie handgreiflich geworden, zumindest nicht mehr, seit wir auf der Highschool waren. Deshalb will es mir auch nicht in den Kopf, dass er auf Joanna mit einem Messer eingestochen haben soll.«
»Kannst du dir irgendeinen Grund vorstellen, warum er und Joanna sich so heftig gestritten haben könnten? Lief da was zwischen den beiden? War er vielleicht eifersüchtig?«, hakte Ryan nach.
»Du meinst, ob sie ein Paar waren oder so etwas?« Tess lachte kurz auf. »Nein, mit Sicherheit nicht. Sie haben sich immer gut verstanden, aber nur rein freundschaftlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da tiefere Gefühle im Spiel waren, weder von seiner noch von ihrer Seite. Allerdings …« Tess stockte.
»Ja?«
»Da ist noch etwas, woran ich lange nicht mehr gedacht habe.« Tess kniff die Augen zusammen, als sie versuchte, sich genau an den Abend am See zu erinnern.
»Als wir am See angekommen sind und Jared kurz ans Wasser gegangen ist, wollte Joanna mir etwas erzählen«, fuhr sie fort. »Etwas, das für sie sehr wichtig war. Den Eindruck hatte ich zumindest. Aber dann kam Jared zurück und Joanna hat mich auf später vertröstet.«
Ryan sah sie aufmerksam an. »Und du meinst, das, was sie dir erzählen wollte, hatte etwas mit Jared zu tun?«
Angestrengt dachte Tess nach. Dann machte sie mit beiden Händen eine ratlose Geste. »Kann sein. Ich weiß es nicht«, gab sie mit matter Stimme zu.
»Ich fürchte, das bringt uns dann auch nicht weiter. Anscheinend hatte dein Cousin kein Motiv, Joanna umzubringen, zumindest keins, das uns bekannt wäre. Trotzdem sind wohl so ziemlich alle Einwohner von Shadow Lake
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