See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
der Meinung gewesen, dass er der Täter war«, wandte Ryan ein.
Tess goss sich noch ein Glas Saft ein, während sie antwortete. »Naja, verstehen kann ich das schon«, gab sie zu. »Es ist ja naheliegend. Er war an dem Abend am See und er ist seitdem nicht mehr gesehen worden. Außerdem war Jared nicht unbedingt ein Heiliger. Er hat ein paar Mal über die Stränge geschlagen und ist dabei auch ab und zu mit dem Gesetz in Konflikt geraten«. Dann wandte sie sich Ryan zu und sah ihm direkt ins Gesicht. »Das waren alles nur dumme Jungenstreiche, nichts Ernstes. Aber selbstverständlich hatte er dadurch hier im Ort seinen Ruf weg. Und als dann der Mord passiert ist, lag es natürlich auf der Hand, ihn zu verdächtigen. Er konnte sich ja auch nicht wehren.« Sie verzog unglücklich das Gesicht.
Ryan nickte nachdenklich. »Für alle anderen ist es selbstverständlich praktisch, wenn gleich ein Schuldiger feststeht. So kann man auf keinen Fall selbst in Verdacht geraten.«
»Nur meine Tante hat nie geglaubt, dass Jared der Täter war. Sie hat immer vermutet, dass jemand aus Shadow Lake nicht nur Joanna, sondern auch ihn umgebracht hat«, sagte Tess düster. »Und damit hat sie sich überall zur Außenseiterin gemacht.«
»Deine Tante wollte demnach beweisen, dass alle Mädchen auf ihrer Liste von demselben Täter getötet worden sind«, überlegte Ryan. »Das würde dann gleichzeitig bedeuten, dass Jared nicht der Mörder von Joanna sein kann.«
»Genau«, nickte Tess. »Ich denke, das wollte sie mit ihrer Liste bezwecken.« Sie ging zum Tisch heraus, nahm das Blatt Papier, auf dem ihre Tante die Namen notiert hatte, aus dem Ordner und legte es vor sich auf die Tischplatte.
Nehmen wir mal an, dass Ellen wirklich recht hatte«, schlug sie vor. »Dann müssten wir davon ausgehen, dass Millie tot ist, Claires Tod kein Unfall war und Susannah sich nicht das Leben genommen hat.«
»Und es würde wiederum bedeuten, dass alle Mädchen eine Verbindung zu ein und derselben Person gehabt haben müssen«, ergänzte Ryan. »Nur wird es nicht einfach werden herauszufinden, wer das war. Wenn der Täter wirklich ein Einheimischer aus Shadow Lake ist, können wir natürlich davon ausgehen, dass sowohl Joanna als auch Millie ihn kannten. Bei Claire sieht das aber ganz anders aus. Sie war ja nur ein paar Tage zu Besuch hier und kann eigentlich nicht so viele Leute kennengelernt haben. Und ganz schwierig wird es bei meiner Schwester.«
»Sie hat doch bei Red Devil Engines gearbeitet, oder?«, fragte Tess nach. Als Ryan nickte, fuhr sie fort: »Dann hatte sie zumindest einige Arbeitskollegen, die in Shadow Lake wohnen.«
Ryan grinste. »So ist es. Und ich habe sogar eine Liste von ihnen.« Er zog einen Zettel aus der Hemdtasche und faltete ihn auseinander. »Die habe ich aus der Ermittlungsakte zu dem Fall. Die Assistentin im Büro des Sheriffs war nicht gerade begeistert, als ich die Namen abgeschrieben habe.«
»Ruth Montgomery? Das kann ich mir vorstellen.« Tess lachte. »Solange ich die kenne, war die noch nie über irgendetwas begeistert. Es ist mir immer noch ein Rätsel, dass meine Tante mal mit ihr befreundet war. Die beiden hatten überhaupt nichts gemeinsam.« Dann wurde sie wieder ernst. »Wenn du die Namen sowieso schon hast, wäre es wahrscheinlich am besten, wenn du dich um die Kollegen von Susannah kümmerst. Dir als ihrem Bruder werden sie bestimmt mehr erzählen als mir. In der Zwischenzeit versuche ich etwas mehr über Millie und über Claire herauszufinden«, schlug sie vorsichtig vor.
Ryan lächelte. »Okay, du bist der Boss.«
»Naja, das nicht gerade.« Tess verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Aber so scheint es mir am sinnvollsten zu sein. Allerdings muss ich zuerst meinem Nachbarn hier einen Besuch abstatten. Vielleicht kann ich ihm ja Ellens Haus verkaufen.«
Als Ryan sich kurz darauf verabschiedete, hielt Tess ihn am Arm zurück.
»Ich muss dir noch etwas sagen«, begann sie leise. »Ganz egal, ob wir bei unserer Suche Erfolg haben oder nicht, ich bin dir wirklich dankbar für alles. Ich glaube, du bist im Moment der einzige Mensch auf der Welt, der mich nicht für völlig verrückt hält.«
Ryan sah sie einen Moment ernst an, dann gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Ich bin mir sicher, in ein paar Tagen hält ganz Shadow Lake uns beide für total verrückt«, meinte er mit einem schiefen Grinsen.
23. Kapitel
»Verdammt, wie lange will der Kerl denn noch da drin bleiben?«,
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