Seefeuer
den Taucheranzug können wir nun mal nicht
wegdiskutieren.«
»Einen Taucheranzug kannst du auch nachträglich jemand
überziehen …«
»Du meinst … als Tammy schon tot war?«
»Meine ich, ja.«
»Mag sein. Aber es ist und bleibt ein Verdacht, eine
Hypothese, nicht mehr.«
»Warum sonst sollte Tammy ausgerechnet einen
Trockenanzug tragen? So gut war sie nicht, dass sie in diesem Ding hätte
rausgehen können. Und die fehlenden Füßlinge, hat sie die vergessen? Oder ist
es nicht viel wahrscheinlicher, dass der Täter einfach die passende Größe nicht
parat hatte?«
»Wie gesagt …«
»Lasst mich konkret fragen: Haltet ihr Weselowski für
absolut unschuldig?« Betretenes Schweigen.
»Seht ihr … keine Antwort ist auch eine Antwort!« Er
musste heftig schlucken, ehe er fortfuhr: »Ich verlange ja nicht, den Mann
gleich zu erschießen. Wir sind uns aber einig, dass dieser Fall ohne Ansehen
der Person, wie’s so schön heißt, aufgeklärt werden muss. Und genau daran hab
ich meine Zweifel. Weselowski ist Arzt, Leiter einer renommierten Klinik, eine
Persönlichkeit, die gewissermaßen im Rampenlicht steht. Der feine Herr wird
Himmel und Hölle in Bewegung setzen und all seine Beziehungen spielen lassen,
um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wenn’s ernst wird. So weit will ich es
erst gar nicht kommen lassen! Wer junge Mädchen missbraucht, wer ihnen
Rauschgift gibt, wer ihren Tod in Kauf nimmt und anschließend vertuscht, der
darf sich niemals kraft seiner gesellschaftlichen Stellung der Justiz
entziehen. Darum und nur darum geht es mir.«
»Warum überlassen wir diese Aufgabe nicht der
Polizei?«, fragte Doc, von der Heftigkeit seines Freundes überrascht.
»Die Polizei, die Polizei! Die sind viel zu überlastet,
als dass sie sich da richtig reinknien könnten. Das haben wir doch schon
besprochen! Nein, die Polizei können wir vergessen, das müssen wir schon selbst
in die Hand nehmen.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Das kann ich dir sagen …« Mit wenigen Sätzen
erläuterte er seinen Plan. Selbst Doc als ihr Vordenker musste zugeben: Was
Philip vorhatte, klang »irgendwie genial«.
Das »Geniale« daran war, dass die eigentliche Arbeit
jemand anderer für sie tun würde.
***
Wolf
war als Erster zurück, und da es bis zur nächsten Lagebesprechung um siebzehn
Uhr noch ein Weilchen hin war, konnte er sich in aller Ruhe einen Pastis
genehmigen.
Punkt fünf stand Jo auf der Matte. »Ludger fehlt noch,
ich weiß. Können wir trotzdem …«
»Schieß los«, fiel ihr Wolf ins Wort.
»Ich habe mir Tamaras Zimmer vorgenommen. Karin
Winters Information scheint zu stimmen: Trotz intensiver Suche waren unter den
Sachen der Toten keine persönlichen Aufzeichnungen zu finden, schon gar kein
Taschenkalender oder ein Tagebuch. Das Gespräch mit den beiden Mitbewohnerinnen
hat wenig gebracht. Die Mädchen sind immer noch völlig durch den Wind. Aber
wenigstens konnten sie bestätigen, dass Tamara so eine Art Kalendertagebuch
geführt hat.«
»Klingt nicht besonders erfolgreich. Was ist mit ihrem
Bruder?«
»War leider nicht da, Chef, wird aber zum Abendbrot
wieder im Internat erwartet. Ich werde dann noch mal rausfahren. Allerdings
bezweifle ich, dass es etwas bringt. Übrigens hab ich noch ein Eisen im Feuer:
Während ich Tamaras Zimmer durchsuchte, lungerte davor ein Schüler herum.
Neugierde, dachte ich erst. Als ich ihn dann ansprach, wäre er am liebsten
abgehauen. Schließlich behauptete er, so etwas wie Tammys Freund gewesen zu
sein.«
»Sein Name?«, fragte Wolf und griff nach den Listen,
die sie von Philip und von der Schulleitung erhalten hatten.
»Olaf von Perdelwitz.«
Wolf fuhr mit dem rechten Zeigefinger die Listen ab.
»Steht hier nicht drauf«, brummte er. »Okay, weiter.«
»Auf die Frage nach Tamaras weiteren Bekanntschaften
schwafelte er anfangs nur wirres Zeug. Schließlich ließ er die Katze aus dem
Sack: Ich solle mich an ihren Bruder wenden, der wisse darüber bestens
Bescheid, schließlich sei er im Besitz von Tamaras Taschenkalender mit allen
Namen und Telefonnummern.«
»War er der anonyme Anrufer?«
»Das hat er abgestritten. Als ich ihn unter Druck
setzte, gab er zu, ein Gespräch zwischen Philip und seinen Freunden belauscht
zu haben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er sehr viel mehr weiß.
Irgendwie kam mir der Kerl duckmäuserisch vor, jedenfalls ist er ziemlich
unsympathisch. Kann mir nicht vorstellen, dass Tammy was mit dem gehabt
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