Seefeuer
Unglück
hatte er vergessen, rechtzeitig den Akku seines Handys aufzuladen. Auch das
Funkgerät im Dienstfahrzeug war ihm keine wirkliche Hilfe, denn er hatte den
Wagen wegen der vielen Löschfahrzeuge weit vor dem Schloss abstellen müssen.
So ging es bereits gegen vierzehn Uhr, als er, nach
Qualm riechend und mit unübersehbaren Rußspuren an Hose und Jacke, ins Aquarium
zurückkehrte, wo ihn Jo bereits sehnlichst erwartete.
»Wo bleiben Sie denn, Chef? Ich war schon drauf und
dran, Sie von der Polizei suchen zu lassen.« Sie grinste.
»Entschuldige, aber der Brand …«
»Ich weiß, hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
Nebenan sitzen Tammys Freundinnen. Ich hab sie in der letzten Stunde mit Cola
abgefüllt. Fast hätte ich sie wieder heimgeschickt. Wollen wir sie gleich
vernehmen?«
»Gib mir fünf Minuten«, bat Wolf und goss sich einen
Pastis ein, während Jo ihn kurz über die Mädchen informierte.
»Die jungen Damen heißen Bille und Steffi, die dritte
hört auf den prosaischen Namen Pi.«
»Pi?«
»Pia sei ihr zu lang gewesen, sagte sie, man müsse
heutzutage ökonomisch denken. Die vollständigen Namen und ihre Anschriften
haben wir. Das Trio war nach eigenem Bekunden ständig mit Tammy zusammen,
niemand kannte sie wohl besser als die drei, das hat mir ihr Lehrer bestätigt.«
»Dein Eindruck?«
»Ich glaube nicht, dass wir viel Neues erfahren
werden. Die tun so, als könnten sie kein Wässerchen trüben, aber das nehm ich
ihnen nicht ab.«
»Gut, lass uns loslegen«, nickte Wolf und stellte
seine Tasse ab. »Wer macht den Anfang?«
»Bille«, rief Jo über die Schulter zurück und öffnete
die Tür zum Nebenraum. Sie gab der danebenstehenden Beamtin ein Zeichen und
forderte Bille auf, mitzukommen.
Eine
knappe halbe Stunde später war die Vernehmung bereits wieder beendet. Während
Wolf sich eine Zigarette ansteckte und aus dem Fenster sah, ging Jo noch einmal
durch ihre Gesprächsnotizen.
»Wenn wir wüssten, was die Mädchen wissen, wäre der
Fall vermutlich gelöst«, stellte Wolf fest.
»Seh ich auch so. Selten hat uns jemand so angelogen.
Einfach nicht zu packen, die raffinierten Luder. Aber ist das ein Wunder?
Sollten die drei wirklich zu den Partygirls gehören, geht es für sie ums Ganze.
Verständlich, dass sie den Kopf in den Sand stecken und die Unschuldslämmer
mimen. Dabei haben es die drei faustdick hinter den Ohren!« Jo schüttelte den
Kopf.
»Immerhin, als der Name Weselowski fiel, dachte ich
für einen Moment, Bille würde auspacken. Leider hat sie sich wieder gefangen.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
Wolf machte ein bedauerndes Gesicht. »Wir können ja
schlecht Beugehaft anordnen.«
»Stimmt. Und noch weniger eine ärztliche
Zwangsuntersuchung. Wenn wir einem der Mädchen eine Abtreibung nachweisen
könnten, würde das vielleicht ihre Zunge lockern.«
»Vergiss es.« Wolf kratzte sich am Kopf, ohne das
Barett abzunehmen. »Eines ist jedenfalls sicher: Tammys Tod steht in
Zusammenhang mit diesem Rosaroten Ballett.«
»Und Weselowskis Tod ist eine Folge davon.«
»Genau. Herrgott, wie mich dieser Fall ankotzt!
Tausend Spuren und nicht eine, die uns weiterbringt. Auf jeden Fall müssen wir
an den Mädchen dranbleiben, und wenn wir sie täglich vernehmen. Hast du dich
bei den Weselowskis umgehört?«
»Eine merkwürdige Familie. Keine Spur von Trauer.
Nicht bei der Tochter, nicht bei der Mutter, die trotz ihrer neunzig Jahre noch
im Haushalt lebt, und schon gar nicht bei der Witwe. Ich denke, die Ehe war
längst im Eimer. Auf die Frage, ob sie sich einen Menschen vorstellen könne,
der ihrem Mann ans Leben wollte, antwortete die Frau sarkastisch: Einen?
Tausende! Gehörnte Ehemänner, Väter halbflügger Töchter, einsame Patientinnen.
Aber jetzt sei ja alles ausgestanden. Nur von Sexpartys mit minderjährigen
Schülerinnen will sie noch nichts gehört haben. Und von Abtreibungen weiß sie angeblich
auch nichts. Hier ist übrigens eine Liste mit den Namen von Weselowskis engsten
Freunden.«
Wolf warf einen Blick auf den Zettel. »Sieht aus wie
das Who’s who von Überlingen. Pohl steht bezeichnenderweise an erster Stelle,
die beiden waren wohl Brüder im Geiste.« Er reichte Jo den Zettel zurück.
»Hilft nichts, die musst du dir alle vornehmen.«
Jo zog eine Schnute. »Was Neues von Tamaras Eltern?«,
fragte sie.
»Die Leute sind … wie soll ich sagen? … etwas sperrig,
aus denen war kaum was rauszukriegen. Wollen einfach nicht wahrhaben, dass
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