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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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ihm die
Wahrheit an den Kopf zu werfen … wie sollte ich denn ahnen, dass genau in
diesen Minuten ein anderer seine Rechnung mit diesem Schwein begleicht …«
    »Heißt das, Sie waren Augenzeuge der Tat?«
    »Leider nein, sosehr ich es mir gewünscht hätte. Ich
sah lediglich einen Mann – wenigstens glaube ich, dass es ein Mann war –
davonrennen. Erst dann bin ich hingegangen und habe gesehen, was passiert ist.
Jetzt hat es dieses Dreckschwein also erwischt, hab ich gedacht … dann bin ich
selbst zu meinem Auto gerannt und weggefahren … weg, nur weg …«
    Nun war es Wolf, der sich von seinem Stuhl erhob und
einige Schritte hin und her ging. Er musste seine Gedanken ordnen, ehe er in
einem letzten Anlauf versuchen würde, Philip Reich als Mörder zu überführen –
oder sich von seiner Unschuld zu überzeugen.
    Seiner Meinung nach reichten die Verdachtsmomente
gegen den Jungen aus, um ihn zumindest über Nacht dazubehalten. Er hatte ein
Motiv, und er war zur Tatzeit am Tatort. Was wollten
sie mehr? Außerdem war weit und breit kein anderer Verdächtiger zu erkennen.
    Pohl? Der war sicher nicht ganz koscher, und seiner
Verbindung zu Kalaschnikow musste nachgegangen werden. Natürlich war er in die
Vorgänge um das Partyschiff involviert. Das war’s aber auch schon. Vermutlich
war er eher der Nächste, der dran glauben musste – falls es noch ein Opfer
geben sollte, was sie hoffentlich verhindern konnten. Mit dem Tod von
Weselowski, Hohnisch und Trost jedenfalls hatte der Anwalt so wenig zu tun wie
Mutter Teresa mit der Drogenmafia.
    Die Drogenmafia? Auch dafür gab es im Augenblick
keinen konkreten Anhaltspunkt. Warum sollten die ihre Kunden abmurksen?
    Hajek? Der wäre wohl kaum so dumm, die Tatwaffe am
Tatort stehen zu lassen. Und überhaupt: Welches Motiv sollte er haben? Nach
ihren bisherigen Erkenntnissen gab es nicht den Hauch einer Verbindung zwischen
Hajek und der Partyclique. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte,
alle Verdachtsmomente liefen auf Philip Reich zu.
    Auch Marsberg schien über den Fall gegrübelt zu haben,
wie Wolf mit einem schnellen Seitenblick feststellte. Verstohlen sah er auf die
Uhr. Bereits halb zehn. Wenn er sich wenigstens eine anstecken könnte! Er
unterdrückte einen Seufzer und nahm wieder Platz. Auf zum letzten Gefecht,
dachte er.
    »Sie haben gesagt«, begann er vorsichtig: »›Da kommt
so ein reicher Sack und fickt meine Schwester.‹ … Sie scheinen eine klare
Vorstellung von den Vorgängen bei diesen Schiffspartys zu haben. Wie kommt das?
Haben Sie sich nur in Gedanken damit beschäftigt – oder haben Sie einen
Augenzeugen, eine Augenzeugin gesprochen, vielleicht sogar Fotos gesehen?«
    »Ich weiß nichts von Augenzeugen.«
    »Fotos – oder Filme?«
    Ruckartig hob Marsberg den Kopf, beide sahen sie auf
den Schüler, der scheinbar unbewegt in eine Ecke des Raumes stierte. Philip
ließ sich Zeit mit seiner Antwort – reichlich Zeit, wie Wolf fand. Sollten sie
doch auf eine Spur gestoßen sein?
    »Wer sollte so was haben?«
    Wolf konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. Wenn
Philip sich weiterhin weigerte, sich zu öffnen, mit ihnen zu kooperieren, dann
hatten sie auf Dauer keine Chance. Wie sollten sie den Jungen nur packen? Wie
konnten sie ihn so provozieren, dass er rausließ, was er wusste – falls er
überhaupt etwas wusste –, ohne dass sie leichtfertig Täterwissen preisgaben und
sich dadurch selbst ein Bein stellten? Als spräche er zu sich selbst, begann
er, leise und emotionslos seine Version des Geschehens zu formulieren.
    »Ich kann nachfühlen, was Sie bewegt, Philip, glauben
Sie mir. Auch wenn die Verbindung zwischen Ihnen und Ihrer Schwester in letzter
Zeit wohl nicht mehr ganz so intensiv war – Sie liebten sie, Sie waren der
große Bruder an ihrer Seite. Und dann passierte diese schreckliche Tat! Von
jetzt auf nachher war alles aus, war Tammy einen schrecklichen Tod gestorben –
wenn auch nicht ganz ohne Vorzeichen. Manches ist Ihnen aufgefallen: dass sie
plötzlich über Geld verfügte, zum Beispiel, oder sprunghafter und unzuverlässiger
geworden war. Und es nagt an Ihnen, diese Vorzeichen ignoriert zu haben, Sie
machen sich Vorwürfe deswegen, und das ist verständlich. Sie wissen, sie hat an
ausschweifenden Partys auf einem Schiff teilgenommen, nicht nur einmal, sondern
öfter. Sie kennen sogar einige der Leute, mit denen sie in diesen Nächten
zusammen war – intim zusammen war! Sie malen sich aus, was vorgefallen

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