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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Lauten.
    Ich wich zurück und ging wieder den Pfad hinauf. Die Robben hasteten weiter vorwärts, die Mütter wurden beim Näherkommen immer größer, die Babys immer schneller! Ihre Umrisse waberten und strahlten, hinterließen Spuren in der Luft; ich konnte nicht sicher sagen, was davon der Magie dieses Tages zuzuschreiben war und was dem Wetter, das sich zu einem Sturm zusammenbraute – oder ob es sich schlicht um einen Trugschluss meiner Augen handelte, hervorgerufen durch meine neue Krankheit.
    Ich stolperte den Klippenpfad hinauf. Auf halber Strecke hielt ich keuchend inne und sah hinunter. Die Robbenbabys waren in Aufruhr, einem war es gelungen, sich auf die erste Stufe des Pfads hinaufzuhieven. Nun verspürte ich nicht mehr das geringste Verlangen, mich unter sie zu mischen. Wie viel wilder sie doch waren als Menschen! Und selbst wenn sie zahm gewesen wären, hätten mir ihre Zahl und ihre Masse Angst eingejagt.
    Ich trat die Flucht an, lief nach Hause, verbannte die Robben aus meinem Gedächtnis, versuchte, die aufgeladene Luft um mich herum zu ignorieren, innerhalb des Flackerns nur wirkliche Dinge wahrzunehmen. Ich ließ mich auf die Stufe vor unserem Hauseingang fallen und blieb schwer atmend dort sitzen – in der Hoffnung, dass sich alles um mich herum beruhigen würde, wenn ich meinen Körper und die tosende Angst darin zur Ruhe brachte. Die Häuser gegenüber ragten aus den schmuddeligen Wolken heraus. Bowes’ Hund gaffte mich mit offenem Maul an, wirkte in einem Augenblick gedrungen und dicht behaart, im nächsten groß wie ein Esel, dessen riesige Silhouette sich wie in einem Traum vor den Häusern abzeichnete; sein Hüftknochen ragte auf Höhe der Dachvorsprünge hervor. Ich wandte den Blick ab.
    Bee, Lorel und Ann Jelly kamen um die Ecke gebogen. Mein Blick saugte sich an ihren vertrauten Gesichtern fest – wie unbefangen sie diese albtraumhafte Straße entlangschlenderten! Ach, wäre ich doch bloß eine von ihnen, wären mir diese Visionen und Empfindungen doch erspart geblieben! Ich sehnte mich schmerzlich danach, so gewöhnlich zu sein, wie ich es noch gestern gewesen war, so einfältig und verdrossen und entmutigt. Ob ich wohl jemals das Glück haben würde, in jene kleine Welt zurückkehren zu dürfen, die ich so gut gekannt und so sattgehabt hatte?
    «Was ist denn mit dir los, Missk?», fragte Lorel. «Wovor bist du weggerannt, dass du so zerzaust und abgehetzt aussiehst?»
    «Ich bin vor nichts weggerannt», sagte ich und versuchte, das Bild der galoppierenden Robbenbabys und ihrer wogenden Mütter aus meinem Kopf zu verbannen. «Ich bin einfach nur so gelaufen. Oben an McCombers Feldern entlang.»
    «Einfach nur so gelaufen? Ach, ihr jungen Dinger!», lachte Ann Jelly. «So viel Energie und nichts zu tun, um sie aufzubrauchen. Los, komm mit ins Haus und schrubb die Böden, mach dich nützlich!»
    Ich folgte ihnen nach drinnen, hielt mich den gesamten Nachmittag im Haus und Leben der Prouts versteckt und gab mir alle Mühe, die grässliche Angst, die in mir tobte, zu ignorieren. Nicht ein einziges Mal, nicht einmal, als ich mich abends ins Bett legte, gab ich der Versuchung nach, die Tür zu meinem Gedächtnis zu öffnen und die Robben herauspurzeln zu lassen, die mir mit rudernden Flossen hinterherheulten, während ich den Pfad hinaufflüchtete.
     
    Als wir uns am nächsten Morgen auf den Schulweg machen wollten, öffnete Bee als Erste die Haustür, schrie auf und schlug sie schnell wieder zu. Mit weit aufgerissenen Augen drückte sie sich dagegen.
    «Was zum Kuckuck …?» Mum war im Eingang zur Küche erschienen.
    Wir anderen starrten die starrende Bee an.
    «Robben!», rief sie. «Wie riesige
Nacktschnecken
! Eine liegt direkt vor der Tür, die anderen sind über die ganze Straße verteilt.»
    «Lass mich mal sehen, lass mich mal sehen!», rief Tatty und schob Bee beiseite. Mum stellte sich neben sie, und gemeinsam steckten sie die Köpfe zur Tür hinaus, blickten die Straße rauf und runter. Draußen standen Leute und riefen sich etwas zu, lachten, blickten sich verblüfft an. Schmerzhaft schwoll die Angst in meiner Kehle an. Ich wünschte, ich könnte unter mein Bett kriechen und mich dort verstecken.
    «Hier sehen sie viel größer aus als am Strand, findet ihr nicht?», fragte Tatty.
    Wir anderen drängten zum Eingang, um auch etwas sehen zu können. Ich erhaschte einen Blick auf das Hinterteil einer Robbe. Obwohl sie auf den Pflastersteinen vor der Stufe zum Eingang lag,

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