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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Mittlerweile war er in seine Augen und seinen Mund hineingewachsen. Er trug Arbeitshosen und ungeschnürte Stiefel, ein rot-weiß kariertes Hemd mit zerfranstem Kragen und einen sehr alten abgetragenen grauen Pullover, der an einem Ellbogen aufribbelte. Seine Haare hätten dringend einen Schnitt gebraucht; sie fielen ihm in die Augen, sodass er sie sich aus dem Gesicht schütteln musste. Ich fand ihn unwiderstehlich.
    Er blieb kurz vor der Tür stehen, hoffte wohl, dass mein Gesicht ihm irgendetwas verriet. Ich verschränkte die Arme. «Du erinnerst dich also
nicht
an mich.»
    Er kniff die Augen zusammen, dann klappte ihm die Kinnlade herunter. «Knocknee-Markt!», rief er.
    «Na bitte! Das erste Mädchen, das du je gesehen hast.»
    Er nickte bedächtig, suchte nach Spuren meines früheren Ichs, das er kennengelernt hatte. «Ist Jahre her.»
    «Hast du seitdem noch mal welche gesehen?»
    «Nun ja», sagte er. «Ich hab an dem Tag damals noch andere Mädchen gesehen, aber nicht mit ihnen geredet. Und dann waren da noch meine Schwestern.» Er blickte auf seine Füße.
    «Deine Schwestern? Aber ich dachte –» Ich fühlte mich, als wäre ich im Moor stecken geblieben und würde jeden Moment darin versinken, verschlungen werden, untergehen.
    «Im Meer.»
    «Ah», sagte ich. Vielleicht stellt er mich auf die Probe, dachte ich, aber auf seinem Gesicht lag kein prüfender Ausdruck. Er lief rot an und wirkte überrascht.
    «Ich glaube, dich habe ich gestern nicht gesehen», sagte ich, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen. «Warst du da, als das Boot eingelaufen ist?»
    «Gestern? Nein, war ich nicht. Aber Toddy hat mir davon erzählt, Toddy Marten. Er war da.»
    Ich streckte ihm die Hand entgegen. «Ich heiße Lory Severner.»
    «Daniel Mallett.» Er hatte sehr große und vermutlich starke Hände, aber er ergriff meine so vorsichtig, als hätte er Angst, sie mir vom Handgelenk abzureißen. «Severner? Aber Toddy hat gesagt, du bist eine Winch.»
    «Meine Mutter war eine Winch. Bet Winch. Sie hat in Knocknee einen Severner geheiratet.»
    Er verdaute die Information, dann kam ihm ein neuer Gedanke: «Aber wie hast du mich gefunden? Wir haben uns an dem Tag in Knocknee doch gar nicht gesagt, wie wir heißen.»
    «Ich hab mich unten im Laden erkundigt. Sie meinten, das könnten nur du und dein Vater gewesen sein, denn außer euch ist in den letzten fünfzehn Jahren niemand nach Knocknee gefahren, um wegen eines Mädchens zu verhandeln. Alle anderen fahren nur bis nach Cordlin, wenn’s um Geschäftliches geht. Sagt zumindest Mr. Fisher.»
    «Da hat er wohl recht», sagte Daniel Mallett. «Und … hast du dich schon im Winch-Haus eingerichtet?»
    «Bin noch dabei», sagte ich. «Bin noch dabei, mich einzurichten.»
    «Das Gras hat aber noch niemand runtergeschnitten?»
    Ich folgte seinem Blick bis zu meinem Rocksaum; er war über und über mit Grashalmen bedeckt. «Nein, bis jetzt nicht», sagte ich und sah lachend zu ihm auf. Er lächelte zaghaft zurück, als ob er das Lächeln gerade erst lernte.
    «Dann hol ich wohl am besten mein Messer, was?»
    Erstaunt blickte ich ihn an.
    «Eine Sense – für das Gras.»
    «Oh, danke. Aber ich habe noch nie mit einer Sense gemäht.»
    «Das sollst du auch nicht. Haben unsere Mums auch nie gemacht.»
    Die Mums hingen zwischen uns in der Luft. Er stellte mich tatsächlich auf die Probe, ob absichtlich oder ungewollt. Ich hielt seinem Blick stand.
    «Lass mich nur gerade noch das Geschirr zu Ende abwaschen», sagte er, «danach komme ich direkt zum Winch-Haus rüber.»
    «In Ordnung», sagte ich. Ich nickte im Sonnenlicht, er nickte aus dem schattigen Zimmer zurück.
    Also ging ich durch das Dorf zurück nach Hause. Ich blieb einmal stehen und blickte zu dem sonnenbeschienenen Hauseingang zurück, wo jetzt niemand mehr stand, hielt beim Überqueren der Hauptstraße noch einmal inne, um den Ausblick auf das im Sonnenlicht strahlende Meer zu genießen. Daniel Mallett. Während ich weiterging, betrachtete ich eingehend beide Seiten meiner Hand, die er so vorsichtig geschüttelt hatte, als wäre sie ein wertvolles Relikt oder irgendein unbekanntes, möglicherweise äußerst empfindliches Lebewesen. Ja, Lory Severner, sagte ich mir mit ruhigem Herzen, das war doch schon einmal ein sehr guter Anfang.

Trudle Callisher
    W ir könnten doch einfach noch mal von vorn anfangen
, schlug ich Miss immer mal wieder vor, wenn mir irgendetwas im Dorf auf die Nerven ging, wenn ein Mann mich zappeln

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