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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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ließ oder mich nicht mit genügend Geschenken und Gefälligkeiten umwarb.
Ein paar von den Männern haben sich schon geschützt, haben sich vorn und hinten überkreuzt, weil du’s ihnen gesagt hast oder sie’s aus der Vergangenheit gelernt haben. Aber nicht alle. Wir könnten ein Meermädchen holen und in der Crescent Cove auf die Felsen setzen – oder direkt hier an den Forward Head Beach, dann hätten wir auch noch ’n prima Ausblick auf den ganzen Spaß. Die Männer behaupten vielleicht, sie hätten kein Interesse mehr oder kein Geld oder so was, aber ob sie wirklich widerstehen können, wenn eins von den Mädels plötzlich auftaucht?
    Aber Misskaella schüttelte jedes Mal den Kopf.
Ein paar von ihnen hätten sicher ihren Spaß
, sagte sie.
Die haben schon danach gefragt – völlig egal, was für eins, Hauptsache, irgendein Mädchen. Denen will ich schon mal gar keinen Gefallen tun. Und die anderen? Die leiden so schon genug, sehnen sich nach ihren verlorenen Meerfrauen und weinen ihren Söhnen hinterher.
Ich erinnere mich noch gut an ihr Lächeln, das sie mir daraufhin zuwarf: neunzig Prozent Mitleid, zehn Prozent reine Boshaftigkeit. Das besänftigte meine Stimmung jedes Mal.
    Du böse Hexe
, sagte ich dann.
    Sie grinste noch breiter.
Wir lassen alles genau so, wie es ist.
     
    Pennylope hilft mir, Misskaella auf den Tisch zu heben. Halfpenny und Farthing tragen jeweils eine Hand. Tuppence ist zu sehr mit Weinen beschäftigt – macht gern aus allem ein Drama, meine Tuppence. Serena heißt sie mit richtigem Namen – die Heitere –, es gab wohl noch nie ein Kind mit unpassenderem Namen.
    Wir ziehen ihr das kalte, durchgeschwitzte Nachthemd vom Körper, und Penny bringt das Waschwasser. Ich zeige ihr, wie sie den Oberkörper säubert, und kümmere mich um die untere Hälfte. Danach ziehen wir der alten Hexe das sauberere Nachthemd über. Für den Augenblick muss das reichen.
    Ich öffne die Tür einen Spalt, um die Schüssel auszukippen. Der Wind schlägt mir derart heftig entgegen, dass ich den Rand der Schüssel fast in den Sand drücken muss, damit mich das Leichenwasser nicht von oben bis unten nass spritzt. Am liebsten würde der Wind die Tür ganz aufreißen und Graupelschauer hereinregnen; mit Mühe und Not gelingt es mir, sie festzuhalten und wieder zu schließen.
    «
Ihr
könnt mit dem Waschen noch warten», sage ich und stelle die Schüssel neben dem Eingang ab. «Dass mir das ja keiner anrührt!»
    Penny betrachtet Miss, die zarten Hände ans Kinn gelegt.
    «Was ist denn nun schon wieder?»
    «Es ist so kalt», wimmert sie. «Müssen wir sie im Kalten liegen lassen?»
    «Warum nicht? Das spürt sie doch gar nicht mehr. Was willst du denn machen?»
    «Sie zudecken. Sie warm einwickeln.»
    Ich will schon laut loslachen, als ich das Gesicht des armen Kükens sehe, die kleinen Tränen darin – Juwelen in ihren schönen Augen! «Penny, du Dummerchen. Dann hol eben eine Decke! Halt den armen Leichnam schön warm.»
    Die anderen stehen aufgereiht neben Tups Bett, blicken mit schreckgeweiteten Augen zu mir, Pen und ihrer toten Kaella herüber. «Jetzt hört mal zu», sage ich im Türrahmen. «Ich geh jetzt rauf ins Dorf. Ihr bleibt alle schön hier und kümmert euch um Bartholomew, falls er aufwacht, und passt auf, dass er sich beim Herumkrabbeln nicht wehtut.»
    «Nein, lass uns nicht alleine!», heult Tup. «Ich will nicht
damit
hierbleiben! Wir wollen mitkommen!» Sofort erscheint auf den Gesichtern der anderen ein verzweifelt flehender Blick.
    «Eine tolle Idee!», sage ich. «Ja, wir ziehen alle zusammen los und gehen im Sturm verloren. Dann hat Kaella gleich Gesellschaft auf dem Tisch da!»
    «Wir bleiben auch ganz nah bei dir! Wir halten uns ganz fest!» Farthing wackelt mitleiderregend hin und her. «Wir bleiben auch alle zusammen!»
    «Oh, das wird ja immer großartiger! Damit ich euch alle an meinen Rockzipfeln in der Eiseskälte da draußen hinter mir herziehe? Nein», sage ich, als gerade die nächste Idee aus ihrem Mund herausgesprudelt kommen will. «Ich geh allein, ihr bleibt hier, und Kaella passt auf euch auf. Und wehe, ihr benehmt euch nicht und lasst euren Bruder schreien oder sich vollsauen, dann springt sie tot vom Tisch runter und fängt euch!» Ich stakse mit Krallenhänden und irrem Blick auf sie zu, und sie fangen alle an zu schreien und weinen.
    «Nein, Mum», schluchzt Penny an der Tür.
    Ich blicke auf die zitternde Bande hinunter. «Ich kann nicht glauben, was für

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