Seeherzen (German Edition)
glänzten, abgesehen von dem Leitbullen, der wie ein riesiger Tintenfleck zwischen seinen Weibchen lag, und den Robbenbabys, die er wie kleine schwarze Tintentropfen aus seinem Fell herausgeschüttelt und in der Kolonie verteilt zu haben schien.
Ich sammelte Treibholz und machte Feuer, zog mich in seiner Wärme aus und befreite mich von den überkreuzten Bändern, dann ging ich weiter nach unten und rief den Bullen zwischen den Müttern heraus.
Das Gebrüll, das er beim Erwachen ausstieß, hallte einmal um die Felswand der Crescent Cove herum. Er erhob sich aus der Masse und robbte zwischen den erschrockenen Robbenmüttern hindurch auf mich zu, walzte sich sogar über einige drüber. Seine Augen rollten weiß im Mondschein hin und her, sein Mund trat als fahler Farbklecks in seinem dunklen Gesicht hervor.
Während sich die aufgeschreckten jaulenden Jungtiere um meine Knöchel drängten und ihre Mütter zu beiden Seiten besorgt um mich herumwackelten, richtete ich den Blick auf die Männer-Materie in ihm. Sie war wie ein Schwarm leuchtender Insekten, die ich dazu bringen musste, sich in seiner Mitte zu vereinen – noch während er zitternd herumschlingerte, seine monströsen Geräusche von sich gab und mir seinen fauligen Fischatem ins Gesicht blies. Und ich vollbrachte es, lernte, was ich zu tun hatte, während ich es tat, durchsuchte jeden seiner Winkel, spürte jeden Keim und Funken auf. Der Vollmond beschwor und ermutigte die Lichter, und ich warf mich unermüdlich nach vorn, als würde ich ein Netz auswerfen, zog jedes Fünkchen in sein Zentrum und fügte es zu einer Männergestalt zusammen. Ein schemenhafter Kopf zeichnete sich über dem schemenhaften Körper ab, einige Gliedmaßen lösten sich aus dem großen Glänzen. Dann kamen mit einem Mal deutlich die Umrisse eines Mannes innerhalb der Robbe zum Vorschein. An den Seiten traten Arme hervor, reckten sich nach oben, Hände griffen durch die Öffnung des Mauls hindurch und rissen den oberen Teil der Robbe auseinander.
Der Robbenpelz sackte auf dem Felsen in sich zusammen, und heraus trat der Lichter-Mann. Der Mondschein erhellte sein Gesicht, das er ihm entgegenreckte, und ich lachte, als ich mich augenblicklich darin verliebte, so wie der alte Zauber es vorsah. Dann blickte er zu mir herunter, und ich bezauberte ihn ebenso wie er mich – ich hatte keinen Einfluss darauf, es lag an der Nähe, dem richtigen Zeitpunkt und unserer jeweiligen Natur –, und wir waren untrennbar miteinander verbunden.
Sein Blick glitt über das Meer, die Klippen, das Feuer. «Ist das da oben dein Zuhause?», fragte er.
«Das ist mein Feuer.» Bewundernd betrachtete ich seine langen schlanken Beine, seine Schamteile, die schmalen Hüften, die sanften Einbuchtungen seiner Vorderseite, den breiten Brustkorb, die geschwungenen Schultern und vor allem sein Gesicht, aus dem so viel Kraft und Anmut sprach und das er mir, was das Wundervollste war, ohne einen Funken Böswilligkeit oder Spott in den Augen zuwandte; sein Gesichtsausdruck offenbarte nicht die leiseste Spur von Arglist, kein amüsiertes Kräuseln verzog seine Lippen.
Dann beugte er sich herunter, hob mich hoch, und ich hörte mein eigenes Quietschen, das
mädchenhafteste
Geräusch, das ich jemals von mir gegeben hatte. Er bahnte sich den Weg zwischen den Müttern und Jungtieren hindurch, forderte sie in ihrer Sprache auf, uns Platz zu machen. Ich hielt seinen glatten Nacken umklammert, atmete die berauschende, salzige Wärme seiner Haut ein. Ein geräuschloser Wind durchströmte die Luft um uns herum, der – anstatt jedes andere Geräusch zu übertönen, so wie eine brandende Welle Stimmen am Strand übertönt und Sprühnebel eine Landzunge verschleiert – jedes Wellenbrechen und jedes Robbenschnauben nur noch deutlicher hörbar machte, jeden Felsen klarer umriss und jede Berührung temperamentvoller oder zärtlicher wirken ließ.
Er stellte mich neben dem Feuer ab. Er legte seine langen, kräftigen, sehnigen Arme um mich. Ich stand auf Zehenspitzen, er beugte sich aus seiner Höhe herunter, und in der Mitte trafen wir sanft zusammen. Als ich dachte, der Kuss sei beendet, drückte er immer noch seine Lippen auf meine, und als ich den Mund vor Überraschung leicht öffnete, oh!, glitt seine Zunge ein kleines Stück herein! Erschreckt schrie ich auf. Ich erforschte und kostete ihn; ich umschlang ihn mit den Armen und zog ihn zu mir herunter, meine Finger fanden seinen warmen Nacken, glitten durch sein
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