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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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ignorieren.
    «Aber du hast doch ge
sagt
 –»
    Sie zerrte so heftig an ihm, dass er aufschrie, aber zum Schweigen brachte es ihn trotzdem nicht.
    «Du hast doch ge
sagt
, man sieht, dass sie eine Robben-Hexe ist, weil sie so fett ist wie eine –»
    Mattie schlug ihm eine Hand vor den Mund, riss ihn herum und zog ihn mit sich fort.
    Als wollte ich mir unbedingt noch weitere Kränkungen zufügen, blickte ich mich um, sah zwei feixende kleine Mädchen auf Trumbells Treppe, einen Vorhang, der ruckartig vor Havenmeyers Fenster gezogen wurde, und eine Frau, die sich beide Hände vor den Mund geschlagen hatte und über die Uferpromenade davoneilte, auf der Suche nach jemandem, dem sie brühwarm erzählen konnte, was Donald Kimes gerade gesagt hatte – vermutlich Mrs. Fisher, damit sich das Gerücht so schnell wie möglich verbreitete.
    Zügig machte ich mich nun selbst auf den Weg, ohne zu wissen, wohin, ich wollte diesen Ort und diese Situation nur so schnell wie möglich hinter mir lassen. Als ich endlich wieder in der Lage war, etwas anderes vor mir zu sehen als Donalds heiteres und Matties puterrotes Gesicht, etwas anderes zu hören als die durchdringende unschuldige Stimme des kleinen Jungen, war ich bereits weit draußen auf der Landstraße.
    Ich folgte ihr bis zur Crescent Cove, obwohl dort keine Robben lagen, und stieg den Küstenpfad hinunter. Als ich auf die flachen Felsen trat, löste ich die Bänder und ließ den Blick suchend über das Meer schweifen, aber es kamen keine Robben auf mich zugeschwommen, keine tauchten aus dem Wasser auf; um mich herum schlugen nur die üblichen Schwingen, die Schwingen der Erde, die ihren eigenen Wind erzeugten. Ich lief hin und her, hoffte, der Wind würde mich hochheben und mit sich forttragen. Ich schnürte meine Stiefel auf und schleuderte sie mir von den Füßen, um mich für die ersehnte Rettung so leicht wie möglich zu machen.
    Auf dem Felsen, auf dem ich letztes Frühjahr mein Feuer entzündet hatte, war kein einziger Schmutz- oder Brandfleck zu sehen; und an der Stelle, an der der namenlose Robbenmann und ich gelegen und uns geliebt hatten, loderten keine außergewöhnlichen Kräfte auf. Wie töricht ich in meinem kurzen Glückszustand doch gewesen war – zu glauben, die Dinge würden sich für mich ändern! Ich hatte seitdem nichts anderes gespürt als tiefe Trauer; für die Glücksgefühle jener Nacht hatte ich damit bezahlt, dass mir das Herz herausgerissen und ins Meer geschleudert worden war und ich ihm für immer nachtrauern musste. Ich hatte mich für allmächtig gehalten, hatte gedacht, mir sei egal, was andere im Dorf über mich dachten – doch was war davon übrig geblieben? Wie ein Häuflein Elend saß ich jetzt da, niedergeschlagen und unglücklich, gekränkt von den Beleidigungen aus dem Mund eines Kindes, das nur die Worte seiner Mutter – und vermutlich des ganzen Dorfes – nachgeplappert hatte. Mir war nicht egal, was sie dachten, und ich sehnte mich immer noch danach, von dieser endlosen Schmach erlöst zu werden, der endlosen Einsamkeit.
    Mein Zorn verrauchte, und ich setzte mich auf den flachen Felsvorsprung oberhalb der Feuerstelle. Doch ich konnte nicht still sitzen; ich streckte die Hand aus und zupfte die winzigen schwarzen Strandschnecken von den feuchten Felsen um mich herum ab und legte sie zu einem Muster zusammen. Hätte ich meine überkreuzten Bänder getragen, wäre es nur harmlose Spielerei gewesen, doch der Atem der Erde strömte durch meine Fußsohlen in mich ein und wie Flügel aus meinen Schultern hinaus und verlieh meinem Tun eine besondere Kraft; jedes kleine Schneckentier, das ich in einer Linie, Biegung oder Ecke platzierte, bildete einen Knotenpunkt in dem darunterliegenden Felsen, aus dem sich ein zitternder Faden in dem aufsteigenden Luftstrom emporschlängelte. Die Punkte und Fäden blieben auch dann noch erhalten, wenn die Schnecken davonglitten; es war, als hätte ich das Muster in den Felsen eingebrannt und als stiege der Rauch aus der Glut unentwegt in die Luft darüber auf.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dafür brauchte. Während ich die Schnecken ablegte und zurechtrückte, spülte das Meeresrauschen mein Gespür für die Zeit und ihre Bedeutung davon. Nur die richtige Positionierung war noch wichtig, ich war wild entschlossen, ihre Umrisse richtig zu formen.
    Als ich fertig war, hatte ich die Konturen einer kugelköpfigen, gesichtslosen Gestalt erschaffen – teilweise aus den schwarzen

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