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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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maßgefertigten Kleides schmeichelte ihrer Rundlichkeit; ein Spitzenbesatz zierte ihren Busen, um den Blick von der fehlenden Taille darunter abzulenken. Sie hatte Kinderhände, aber deutlich gepflegtere Nägel als jedes Kind. Ihr Haar war aufgetürmt und zu einem weichen Dutt zusammengesteckt. Trotz allem war und blieb sie eine Hexe, und sie hatte auch das hässliche, argwöhnische Gesicht einer Hexe, hinter dem sich ihr lauernder Hexenverstand versteckte, der Gott weiß was denken mochte.
    «Was gibt’s?» Sie hielt mir die Laterne vors Gesicht, zog sie wieder weg und wandte ihre Aufmerksamkeit Mum zu, die auf der Treppenstufe vor sich hin schmorte.
    «Mein Name ist Nance Winch. Ich wollte fragen, ob Sie irgendwelche Geschäfte mit meinem Sohn Naseby gemacht haben.»
    «Warum sollte ich?» Sie musterte Mum von oben bis unten, als wollte sie sagen, dass ihre Kinder unter ihrer Würde waren.
    «Er hat seine Frau und Kinder an drei Abenden hintereinander allein gelassen – bei Vollmond. Das riecht mir ganz nach Ihrem Werk.»
    «Soso, es
riecht
danach. Wie sieht Naseby Winch aus?»
    «Sehr groß», sagte Mum. «Und schlaksig. Er hat fast goldenes Haar.»
    Misskaella dachte darüber nach, aber nur um sich über uns lustig zu machen, zumindest kam es mir so vor. Sie legte sich zwei Pfeifenhand-Finger ans Kinn. «Es kommen nun mal so viele hierher, wissen Sie. Ist nicht ganz einfach, mir alle zu merken.»
    «Oh, aber Sie vergessen sicherlich nie, ihnen Geld abzuknöpfen.» Mum blickte vielsagend auf die Zierleisten über dem Türeingang und den Spitzenbesatz am Busen. «Denken Sie mal scharf nach – gehört er zu denen, die bereits bezahlt haben, oder schuldet er Ihnen für den Gefallen, den Sie ihm getan haben, noch die Hälfte des gesamten Familieneinkommens?»
    Während Mum ihr die Frage entgegenschleuderte, lief das Gesicht der Hexe nicht, wie ich befürchtet hatte, vor Wut immer röter an, sondern ihre Züge entspannten sich zusehends, bis sie fast fröhlich wirkte. Sie lehnte sich an den Türpfosten, nahm einen Zug aus ihrer Pfeife und schwenkte die Laterne leicht hin und her. «Lassen Sie mich kurz nachdenken – Ihr Junge mit dem goldenen Haar, groß, schlaksig, Frau und Kinder, von denen er
mir
natürlich nie erzählt hat, damit ich’s mir nicht noch anders überlege.» Der Rauch kam gemeinsam mit ihren Worten heraus, stieg in die Freiheit auf und schwebte über ihrem Kopf. «Hmm», sagte sie, und Qualm quoll aus ihren Nasenlöchern. «Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich an Naseby, den Goldjungen, erinnere. Nein, da bin ich mir nicht sicher.»
    «Sind Sie denn ganz sicher», fragte Mum und beugte sich weiter vor, in den Schein der Laterne hinein, «dass Sie sich
nicht
an ihn erinnern?» Mir hätte sie in dieser Haltung, in diesem Lichteinfall Angst eingejagt.
    Der Hexe jedoch nicht. Sie fing an zu lachen, was einen Hustenanfall zur Folge hatte. Als sie zu husten aufhörte, grinste sie. «Wissen Sie was? Ich kann mich auch nicht ganz sicher
nicht
an ihn erinnern. Das Dorf ist nun mal sehr klein, Mrs. Winch, Mutter von Naseby», sagte sie, als bereiteten ihr diese Namen großes Vergnügen. «Also hab ich ihn da bestimmt schon mal gesehen. Nur kann ich mich einfach beim besten Willen nicht daran erinnern, ob er hier vor meiner Tür aufgetaucht ist, so wie Sie und …» Sie wedelte mit einer rauchigen Hand zu mir herüber, «Ihre Tochter?»
    «Meine Tochter.» Ich sah, dass Mum versuchte, unhöflich zu sein, und ihr meinen Namen nicht nennen wollte, doch Misskaella glotzte sie erwartungsvoll an, thronte neugierig über ihren schicken Stiefeln wie eine fette Drossel auf einem Zaunpfahl. «Bet. Elizabeth.»
    «So wie Sie und
Elizabeth
Winch hier aufgetaucht sind. Oder vielleicht war er auch nicht ganz so höflich und kam zur Hintertür rein, weil er was zu verbergen hatte? Ich kann mich nicht erinnern. Ich kann … mich einfach …» Mit ihren wenigen freien Fingern griff sie in die Rauchschwaden hinein, als wollte sie die Erinnerung daraus hervorholen.
    «Und so eine
hübsche
Tochter haben Sie da, Nance», sagte sie mitten in Mums nächste Frage hinein. Sie funkelte mich feindselig an, als wäre es eine Frechheit, hübsch zu sein. Was, wenn sie die Hand zur Tür herausstreckte und mir meine Schönheit wie eine Maske herunterriss?
    Dann wandte sie sich wieder an Mum und sagte mit sehr sanfter Stimme, kaum mehr als einem Flüstern: «Genauso hübsch wie Sie, damals bei Ihrer Hochzeit mit … wie heißt

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