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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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so grausam sein – zu Sophie und zu den Kleinen, Tom und Myrtle?»
    Sie legte mir eine Hand auf den Arm. «Wir wissen es noch nicht. Wir wissen es noch nicht
genau
und sicher. Warten wir’s ab.»
    Die Straße nach Norden schlängelte sich fast unbekümmert an den Klippen entlang, und wir stapften sie hinauf, in den beißenden Wind hinein, der uns das Haar zerzauste und unsere Mantelkragen flattern ließ. Das Meer zu unserer Linken spiegelte das Mondfunkeln, bauschte sich auf und zerbrach an den Klippen, brachte den Boden unter unseren Füßen zum Zittern. Der Hügel zu unserer Rechten war ein andersartiges, kohlrabenschwarzes Meer; alles, was dort wuchs, wurde gegen die Felsen geweht; die beiden Weißdorne ganz oben lehnten ängstlich im Wind. Dann fiel die Straße ab, vor uns erstreckte sich die Crescent Cove wie ein herabgefallener Halbmond, der sein eigenes Licht verspeist, und dahinter lag die kleinere, schmutzigere Bucht, in der sich die Höhlen befanden.
    Zielstrebig gingen wir oben an der Crescent Cove vorbei. «Als Mädchen war ich oft hier», rief Mum mir zu, «bin hier rumgelaufen und hab davon geträumt, von hier wegzugehen. Damals dachte ich, ich könnte alles erreichen. Rollrock kam mir so
mickrig
vor! Ich wollte etwas Besseres, Fröhlicheres.» Ihre Zähne blitzten im Mondlicht auf. «Und dann dachte ich, Odger wäre genau das – er
war
besser und fröhlicher, ganz am Anfang, als er um mich warb. Aber er blieb nicht so, und später konnte ich es nicht mehr aus ihm rauslocken, und seitdem ist es die immer gleiche eintönige Routine, die du nur zu gut kennst.»
    Um ein Haar hätten wir den kleinen Pfad zwischen den Klippen der Bucht übersehen. Der Weg sah aus, als führte er ins Nichts, ein letzter Schritt in die Nachtluft, ein plötzliches Luftschnappen, ein in der Kehle steckengebliebener Schrei, dann ein Sturz in den Felswald oder die Fluten darunter. Aber nein, der Pfad duckte sich an dieser Stelle unter einem Felsvorsprung hindurch, führte weiter und weiter, wand sich wieder ein Stück zurück – und war so eng, dass Mum früher kaum hindurchgepasst hatte, als sie unseren winzigen Füßchen hinterhergelaufen war, um sich mit uns ins Stony Cottage zu quetschen und zu spielen, indem sie an einer Tasse Meerwasser-Tee nippte und an einem Stück Seetang-Sandkuchen knabberte.
    «Diesem Odger werd ich’s zeigen», sagte Mum, während wir uns einmal um Cave Cove herum durch den grauen Gang hindurchfädelten und der Wind nach uns schnappte wie die Pfote einer Katze nach einem Mauseloch, uns aber nie erwischte.
    Wir krochen zum Eingang der Höhle hinauf, die wir Stony Cottage getauft hatten. Ich hoffte, dass sie leer wäre, denn dann hätten wir sie als Unterschlupf nutzen und uns eine Weile vor dem Wetter in Sicherheit bringen können. Doch gerade als Mum den Kopf hineinstecken wollte, um einen Blick hineinzuwerfen, ließ der Wind nach, und genau in diesem Augenblick rief Naseby mit verzerrter, verzückter Stimme: «Mein Gott, Mädchen, was machst du bloß mit mir?!»
    Mum betrat den Höhleneingang und streckte eine Hand nach hinten aus, damit ich ihr nicht folgte und alles mit ansah. «Vermutlich das, was deine Frau Sophie eigentlich mit dir machen sollte!»
    Eine schreckliche Stille breitete sich aus. Eine Mädchenstimme fragte etwas, doch der Wind frischte auf, sodass ich sie nicht verstehen konnte.
    «Komm raus, mein Junge», sagte Mum. «Du hast eine Frau und zwei kleine Kinder, die auf dich warten.»
    Nase sagte nichts.
    «Wo hättest du sonst sein sollen?», sagte sie. «Wo hättest du dich sonst verstecken können?» Ich war froh, dass sie ihm nicht sagte, dass ich es war, die auf die Höhle gekommen war.
    Dann stand er da, beugte sich blass und nackt im schwarzen Eingang zu ihr hin und hielt sich ein Bündel Kleider vor sein Geschlecht. «Mum, du verrätst doch nichts, Mum, oder? Ich kann sie ganz einfach wieder wegschicken, Mum. Sofort, jetzt gleich. Ihr Pelz liegt gleich oben auf der Wiese. Keiner muss davon erfahren. Sophie muss es nie erfahren.»
    «Naseby Winch», sagte das Mädchen, und seine Stimme klang wie schöne Musik. «Bitte lass mich nach Hause gehen. Meine Schwestern vermissen mich bestimmt schon.»
    «Zieh dich an», sagte Mum zu Nase. «Und du? Ich nehme an, du hast nur diese Decke, um dich halbwegs anständig zu bedecken?»
    «Sie kann ihre
Haut
anziehen, Mum! Sie kann verschwinden! Ich lauf nur schnell und hol sie.»
    «Das tust du nicht», sagte Mum. «Ich habe andere

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