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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Pläne. Hier, sie kann meinen Unterrock anziehen.»
    Sie ging in die Höhle, und auch ich trat vor und warf einen Blick hinein. Nase sah hundeelend aus, zusammengekauert und zitternd saß er da und hatte mir den Rücken, das knochige Hinterteil zugewandt – gab diese Ehefrau ihm eigentlich überhaupt etwas zu essen? Das Meermädchen saß auf der Decke und sah meiner Mum zu, die sich unter ihrem Rock aus dem Unterrock herausschälte. Das Mädchen wirkte ganz unerschrocken und war sehr schön – und dieser Geruch! Wie das Meer im Sommer, eine lebendige Salzwasserbrise, ein warmes Wehen, während überall um sie herum das kalte lärmende Meer widerhallte.
    Mum hielt ihr den Unterrock hin. «Da, nimm. Den kannst du dir gleich mehrmals umwickeln, so ’n Mäuschen, wie du bist.»
    «Mum!»
    «So, und jetzt aber los.»
    «Mum!»
    «Zu spät, Naseby. Dein Gebettel kannst du dir sparen.»
    «Trotzdem, bitte!»
    «Mein Junge, es ist Zeit, dass du begreifst, welche Ausmaße dein Handeln hat. Es geht um mehr als ein Techtelmechtel in diesem Höhlen-Haus, Junge. Es geht um mehr als einen feurigen Augenblick zwischen den Beinen dieser Dame. Zunächst einmal bin da noch ich, dann Sophie, die immer noch dieselbe ist wie damals, als du sie geheiratet hast. Dann sind da noch Tommy und Myrtle, die auf deine Zuverlässigkeit angewiesen sind. Wenn man dich auch noch dazurechnet, vorausgesetzt, du schämst dich überhaupt ein bisschen, sind es damit schon mindestens fünf Menschen in diesem Dorf, die für den Rest ihres Lebens mit gesenktem Kopf umherziehen werden, weil du dieses lächerliche Schauspiel vor meinen Augen aufgeführt hast.»
    «Also noch ein Grund mehr –»
    «Noch ein Grund mehr, dich
anzuziehen
, Junge!»
    Das hochgewachsene Meermädchen stand einfach da, ohne auch nur zu versuchen, irgendetwas an sich zu bedecken. «Wenn ihr mir einfach nur meinen Pelz geben könntet», sagte sie in vernünftigem Tonfall zu Naseby, zu Mum. Selbst mir warf sie einen gewinnenden Blick zu, bevor Mum ihr den Unterrock über den Kopf zog.
    Sie wehrte sich nicht, widersprach nicht einmal; sie sah einfach nur zu, wie Mum den Unterrock an ihr herunterzog, ihre Arme herausmanövrierte und den Rock dann wieder ein Stück nach oben zog, um ihn unter den Armen zuzuschnüren. «Sie ist wie eine Puppe», sagte ich. «Sie lässt dich einfach machen.»
    «Oh, sie machen, wozu man sie drängt, diese Frauen, solange keine Aussicht auf Flucht besteht, die ihnen die Energie verleiht, im Meer zu verschwinden. Kein Wunder, dass die Männer sie mögen. Pah, du schwimmst ja in diesem Kleid, Mädchen! Nun, dann musst du eben schwimmen.» Grimmig zurrte sie die Bänder so fest wie möglich. «So, auf geht’s.»
    «Willst du uns zu Sophie bringen?», fragte Nase ängstlich, während er sich die Hose zuknöpfte.
    «Ich bringe euch zu Dad.»
    «Wieso das?»
    «Los jetzt», forderte Mum ihn am Eingang auf. Er trat hinaus, und Mum scheuchte das Mädchen hinterher. Der Unterrock umflatterte sie, hob sich ein Stück in die Luft und gewährte uns einen guten Blick auf ihren strammen Hintern und die langen Beine, die winzigen Füße, die kaum über ihre Knöchel hinausragten.
    «Wieso muss Dad Bescheid wissen?», brüllte Naseby entlang der Felswand zu Mum zurück.
    «Ich muss es ihm beweisen. Ich habe ihm auf den Kopf zugesagt, dass genau das hier passiert ist, und ich will es ihm beweisen.»
    Daraufhin sprudelten jede Menge Gegenargumente aus Nasebys Mund hervor. Einiges davon wurde über seine Schulter hinweg bis zu uns herübergetragen, der Rest prallte an den Felsen ab oder wurde vom Wind zu den Klippen hinaufgeweht. «– erzählen – Sophie – trotzdem –»
    «Jetzt macht voran, ihr beiden. Ich will endlich zu Abend essen.»
    Nase bettelte und klagte den ganzen Weg bis nach Hause. Mum antwortete ihm nicht; er schien sich ihr Wohlwollen verscherzt zu haben; dieses Mal würde sie ihm nicht aus der Patsche helfen.
    Nach einer Weile holte das Mädchen ihn ein und griff nach seiner Hand. Ich dachte, er besäße zumindest den Anstand, sie abzuschütteln, weil er von sich selbst angewidert war, doch stattdessen hielt er ihre Hand fest umklammert, während er auf wackligen Beinen weiterging.
    «Mein Ältester», murmelte Mum neben mir. «Du glaubst, sie sind dein Ein und Alles, wenn sie noch klein sind; du tust alles für sie, siehst sie heranwachsen, wartest darauf, dass sie dich stolz machen. Und dann werden sie von einem Tag auf den anderen genauso

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