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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu tragen, sodass man von mir keine Hilfe erwarten konnte.« Er hob seinen gebrochenen Arm und versuchte mit verkniffenem Gesicht pantomimisch einen Tennisaufschlag darzustellen. »Jetzt werde ich nie in Wimbledon gewinnen«, sagte er mit einem Hauch Selbstmitleid.
    »War das sehr wahrscheinlich?«
    »Nein. Aber ich mag es nicht, wenn ich etwas ausschließen muss. Du etwa?«
    Wir liefen zwischen Blumenbeeten entlang, die wie violette und rosafarbene Mosaike angelegt waren. Hier herrschte Symmetrie vor: Die Tulpen wuchsen alle gleich hoch, und die Stiefmütterchen blühten gleichzeitig. Rebelliert, drängte ich sie im Stillen. Los, welkt, kippt um.
    Obwohl es in der Sonne warm war, wehte eine kalte Brise und der plötzliche Schwall heißer, feuchter Luft, der uns entgegenschlug, als wir das Palmenhaus betraten, überraschte mich. An den Fenstern perlte Kondenswasser, und hoch über unseren Köpfen blühten feine Nebelstrahlen an Metallstämmen. Rad sah hinauf zum Balkon, der um die Innenseite des Daches lief. »Geh nur hoch, wenn du mochtest«, sagte er. »Ich bin mir nicht sicher, oh ich die Wendeltreppe bewältigen kann.« Als ich oben war - meine Schuhe klirrten auf den Stufen und brachten das weiße Eisengeländer zum Singen war ich schwindlig und außer Atem. Die Hitze und Feuchtigkeit waren überwältigend; von der Decke tropfte Feuchtigkeit auf meine Haare. Durch die Wasserdunstschleier unter mir konnte ich Rad sehen, der zwischen den Pflanzen hin und her ging und sich hinhockte, um ihre Namen zu lesen. Die einzige andere Person auf dem Balkon war eine alte Frau in einem geblümten Kleid, Neonsocken, Wanderstiefeln, einem Pferdefellmantel und einer Bommelmütze. Sie machte sich Notizen in ein Tagebuch und murmelte hemmungslos vor sich hin. So werde ich eines Tages auch sein, dachte ich plötzlich. Eine verrückte alte Tante in Neonsocken und bequemen Schuhen, die allein botanische Gärten und Schlösser besucht. Ein großer Wassertropfen fiel auf meine Wange, und als ich ein Taschentuch aus meiner Manteltasche zog, fiel einer meiner Handschuhe - ein frivoles, rosafarbenes Lederding der zusammengerollt darin gesteckt hatte, heraus, segelte zwischen den Stäben der Brüstung hindurch und landete keinen Meter von Rad entfernt auf dem Boden. Er sah nach oben, als würde er mit einer ganzen Lawine rechnen, und als er sah, dass ich mich übers Geländer beugte und entschuldigend mit dem zweiten Handschuh wedelte, tat er so, als würde er etwas Missbilligendes murmeln und hob den anderen auf. Einen Augenblick später war das Klappern von Füßen auf der Treppe zu hören, und er erschien auf dem Balkon.
    »Ich nehme deine Herausforderung an«, sagte er und gab mir den Handschuh zurück. »Egal, was es ist.«
    »Das bezweifele ich«, sagte ich und sah ihm ins Gesicht, und einen Augenblick lang knisterte vorgetäuschte Feindseligkeit zwischen uns.
    »Verzeihung, Verzeihung«, sagte eine Stimme, und wir drückten uns an die warmen Wasserrohre, die um die Wände liefen, um die Frau mit der Bommelmütze vorbeizulassen, die immer noch vor sich hin murmelte.
    »So werde ich auch mal enden«, flüsterte ich Rad zu, sobald sie außer Hörweite war. Er betrachtete sie kritisch von hinten, nahm die Neonsocken auf Halbmast und den haarenden Mantel zur Kenntnis und sah dann mit prüfendem Blick zurück zu mir.
    »Ehrgeiz ist etwas Schreckliches«, sagte er und ging mit großen Schritten zur Treppe am anderen Ende, bevor mir eine passende Antwort einfallen konnte.
    Unten gingen wir an Tamarinden- und Elfenbeinbäumen, bengalischen Feigen, Zuckerrohr und einer Ölpalme mit einem haarigen Stamm wie einem Affenarm vorbei. Im Untergeschoss gab es riesige Algen, stahlblaue und gelbe Fische und rote Algen wie zerknitterter Samt.
    »Hast du einen Garten?«, fragte Rad, als wir schließlich aus der tropischen Hitze des Palmenhauses in die Kälte eines englischen Frühlings traten.
    »Nein, ich habe am Fenster einen Blumenkasten mit vernachlässigten Pflanzen«, sagte ich und zog mir den Mantelkragen über die Ohren.
    »Ich verstehe, dass Gartenarbeit ziemlichen Spaß machen kann«, sinnierte er. »Ich meine, wenn alle anderen möglichen Quellen der Freude erschöpft sind.«
    Ich nickte. »Aber in diesem Stadium befinden wir uns noch nicht ganz.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, nicht ganz.«
    Ich bemerkte, dass er langsam müde wurde, als wir den Cherry Walk erreichten. Sein Bein machte ihm offensichtlich Probleme, und mir fiel zum ersten

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