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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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wie ich es tat, schien die Zeit schneller vergehen zu lassen, und fast bevor ich bemerkt hatte, dass es angefangen hatte, war das Sommerhalbjahr vorbei, die Prüfungen absolviert und bestanden. Die Basketballsaison war gekommen und vergangen, und unsere verhassten Sommeruniformen - steife Strohhüte und türkise Kleider, die unter den Armen dunkle Schweißflecken zeigten - konnten ganz hinten in den Schrank verbannt werden. Die großen Ferien nahten, steuerten auf mich zu wie ein Schnellzug. Ich sah ihrer Ankunft mit etwas entgegen, das an Furcht grenzte. Durch einen unglücklichen Zufall hatten die Radleys ihre Ferien in den ersten drei Wochen geplant, während meine Eltern in den dreien danach mit mir wegfuhren. Wir überschnitten uns um etwa einen Tag, deshalb konnte ich Frances den ganzen Sommer über nicht sehen. Sechs Wochen - es war unvorstellbar. Frances‘ Gleichmut angesichts dieser Katastrophe war eine zusätzliche Provokation. Sie war zweifellos auf die bevorstehende aufregende Auslandsreise zurückzuführen: Lexi nahm sie über Paris mit nach Menton, während Vater und Sohn an irgendeinen Ort fuhren, der »Die Schützengräben« hieß, offensichtlich eine alljährliche Pilgerfahrt.
    »Armer Rad«, kicherte Frances. »Drei Wochen, in denen Dad fährt. Er wird als Wrack zurückkommen - wenn er nicht umkommt.« Mr. Radleys Ruf als schlechter Autofahrer war Teil der Familienlegende. Er fuhr immer los, ohne sich anzuschnallen, und dann, wenn er erst einmal auf einer befahrenen Hauptstraße war, besann er sich eines Besseren, tastete suchend nach dem Gurt, während das Auto von einer Seite zur anderen schlingerte. Und er schien eine Abneigung gegen Scheibenwischer zu haben er weigerte sich, sie einzuschalten, bis die Windschutzscheibe verschwommen war. Seine gefährlichste Angewohnheit war jedoch, sich mit seinen Passagieren zu unterhalten, ohne sich ständig umzudrehen und sie direkt anzusprechen.
    »Wieso fahrt ihr getrennt in den Urlaub?«, fragte ich, leicht schockiert über die Arrangements.
    »Das machen wir immer - wir mögen einfach unterschiedliche Dinge. Mum will nicht Jahr für Jahr um ›Die Schützengräben‹ rumlatschen.«
    »Was sind ›Die Schützengräben?‹«
    »Hat was mit irgendeinem Krieg zu tun. Ein Haufen Gräber und so - wirklich bedrückend. Dad liebt das. Rad übrigens auch. Es ist das Einzige, worin sie sich einig sind.« Am Ende der drei Wochen, erfuhr ich, traf sich die Familie, einschließlich irgendwelcher Statisten, die auf dem Weg aufgelesen wurden, für eine Nacht in einem Hotel in Nordfrankreich, um Geschichten auszutauschen, bevor sie zusammen nach Hause zurückfuhren.
    Meine Aussichten auf aufregende Ferien waren nicht so rosig. Mutter und Vater neigten dazu, den Britischen Inseln treu zu bleiben - normalerweise ihren feuchtesten und windzerzaustesten Gegenden -, wobei sie lieber Wanderurlaub machten als Orte von literarischer oder historischer Bedeutung aufzusuchen. Ödes Moorland oder kühle Kathedralen waren ihre Heiligtümer. Dieses Jahr hatte die Wahl ihres Zielortes noch eine zusätzliche Bedeutung. Zu Weihnachten hatte Mutter sich eine Steinpoliermaschine gekauft, die sie in einem Kunsthandwerk-Katalog gesehen hatte. Sie hatte sich in einige Unkosten gestürzt und sie unter viel Aufregung angefordert, weil sie plante, das Haus mit Gläsern voll funkelnder Steine zu dekorieren, durch die man, wenn man nervös war, die Hände gleiten lassen konnte. Dem Unternehmen war kein sofortiger Erfolg beschieden: Die Maschine, eine kleine Trommel mit Eisenspänen, musste wochenlang unentwegt laufen: Mutter verstaute sie im Gästezimmer unter einem Tisch, um den Lärm zu dämpfen, aber man hörte sie Tag und Nacht mahlen, hartnäckig wie Zahnschmerzen. Es war jedoch Mutters geologische Unkenntnis, die sich als ihr Verderben erwies. Die meisten Steine, die sie gesammelt hatte, waren zu weich, und als sie zur vorgegebenen Zeit die Trommel öffnete, stand sie statt vor funkelnden Schätzen vor einer Masse grauen Staubs. Und die Kieselsteine, die, wenn sie nass waren, wie Juwelen glänzten, sahen im trockenen Zustand so aus wie vorher, nur kleiner. In diesem Sommer wollten wir daher zur Isle of Skye, um Eruptivgestein zu suchen.
    Am Abend vor Frances‘ Abreise ging ich zu ihr, um mich zu verabschieden. Es war gerade ein Streit darüber im Gange, welche Partei welches Auto nehmen sollte. Schließlich wurde beschlossen, dass die Frauen den Spitfire haben konnten, während die Männer

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