Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
wir hierbleiben, erwischen sie uns womöglich.« Er drehte sich um und trottete voran, ohne auf eine Antwort zu warten.
Lusa folgte ihm, die langen Fleischstreifen hinter sich herschleifend und stets darauf gefasst, von Flachgesichtern entdeckt zu werden. Doch alles blieb still.
»Hier, fresst«, sagte sie, als sie im Schutze des Felsens angekommen waren, und ließ das Fleisch fallen.
Kallik biss in das Ende des einen Streifens und begann begierig zu kauen, doch Toklo zögerte noch. Er spähte um den Felsen zur Höhle des Heilers.
Lusa stupste ihn sanft an. »Komm schon, friss. Wir können Ujurak nicht helfen, wenn wir vom Hunger geschwächt sind.«
Toklo nickte widerstrebend, ließ sich nieder und knabberte an dem anderen Fleischstreifen. »Karibu«, murmelte er nach dem ersten Bissen. »Schmeckt ein bisschen merkwürdig, aber gut.«
Lusa kauerte sich vor ihre Ration und freute sich an dem lecker würzigen Geschmack des Karibufleisches. Trotzdem entging ihr nicht, dass Toklo abwesend wirkte und immer wieder eine Pause einlegte, horchte und sich misstrauisch umsah. Wahrscheinlich wartet er verzweifelt auf ein Zeichen, das ihm sagt, wie es Ujurak geht .
»Ich weiß, was wir tun können«, sagte sie, als sie und ihre Freunde alles aufgefressen hatten. »Kommt mit.«
Kallik und Toklo wechselten einen verwirrten Blick, folgten Lusa aber um den Felsen herum. Lusa führte ihre Freunde im Schutz der Dunkelheit zu den Flachgesichterhöhlen zurück. Die Bären blieben wie versteinert stehen, als wieder ein Flachgesicht den großen Bau verließ und nur zwei Bärenlängen entfernt an ihnen vorübereilte. Da es den Kopf gegen den Nieselregen gesenkt hatte, sah es die Bären nicht, die sich im Schutz eines überstehenden Daches zusammengekauert hatten.
»Das war knapp!«, keuchte Kallik.
Toklo nickte. »Schauen wir, dass wir weiterkommen.«
Lusa übernahm wieder die Führung und trottete durch die Dunkelheit. So gelangten sie an die Rückseite der Höhle, in der der Heiler wohnte.
Lusa schlich sich zum Fenster, stellte sich auf die Hinterbeine, stemmte die Vordertatzen gegen die Wand des Baus und spähte vorsichtig hinein.
11. Kapitel
Toklo
Toklo sah durch die Scheibe, die aussah wie festes Wasser. Auf einer Seite des Raumes brannte ein Feuer. Toklo konnte die seltsamen Gerüche, die daraus aufstiegen, bis draußen wittern. Doch trotz des merkwürdigen Geruchs sah es drinnen warm und gemütlich aus mit den vielen Fellen, die am Boden lagen und an den Wänden hingen.
Lusa und Kallik pressten rechts und links von Toklo die Nase gegen die Scheibe und spähten ebenfalls in die Höhle. Toklo musterte den Alten, der Ujurak zu sich genommen hatte. Er stand mit dem Rücken zu ihnen und versperrte den Bären die Sicht auf ihren Freund. Hin und wieder bekam Toklo flüchtig eine der rosa pelzlosen Pfoten des Heilers zu sehen, wenn er einen kleinen silbernen Gegenstand aufnahm oder wieder hinstellte.
Wahrscheinlich versucht er noch, den Haken aus Ujuraks Kehle zu bekommen, dachte Toklo. Seine Pfoten sind klein und viel geschickter als unsere. Vielleicht hatte Lusa doch recht damit, dass es besser war, Ujurak herzubringen.
Als der Heiler einen Schritt zur Seite machte, erhaschte Toklo zum ersten Mal einen Blick auf Ujurak. Er lag rücklings in einem Nest, zugedeckt mit Fellen.
»Er sieht aus wie tot!«, flüsterte Kallik entsetzt.
Toklo antwortete nicht, doch sein Magen zog sich zusammen, und er musste die Zähne aufeinanderbeißen, um nicht laut aufzuheulen. Ujurak lag unbeweglich da. Seine Flachgesichterhaut war aschfahl und Toklo konnte nicht erkennen, ob er überhaupt noch atmete.
»Er ist nicht tot«, beruhigte ihn Lusa. »Das Flachgesicht würde sonst nicht versuchen, ihm zu helfen.«
Toklo fiel es schwer, ihr zu glauben. Was wussten die Flachgesichter schon? Außerdem, wenn Ujurak nicht tot war, so konnte er doch jederzeit sterben, ohne dass Toklo etwas dagegen ausrichten konnte. Toklo hasste dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Wie die aufflatternden Gänse, die er wenige Stunden zuvor hatte fangen wollen, schien ihm alles zu entgleiten. Ein Gedanke ließ ihm keine Ruhe: Es war meine Schuld, dass sich Ujurak in eine Gans verwandelt hat. Wenn ich nicht diese blöde Idee gehabt hätte …
Sein Herz raste vor Angst, denn ihm fielen wieder die Gewissensbisse ein, die ihn nach Tobis Tod geplagt hatten, ehe er von Oka verlassen worden war. Die Last einer solchen Schuld würde er nicht noch einmal tragen können.
Aber
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