Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
warf noch einmal einen Blick auf Ujurak. Als sie die Nase gegen die glatte, schimmernde Scheibe presste, um besser sehen zu können, zerriss ein krachendes Geräusch die Luft.
Kallik sprang vom Fenster weg. Als sie sich nach dem Lärm umsah, entdeckte sie einen Schwirrvogel, der talabwärts durch die Luft schwebte. Er hielt auf die Siedlung zu. Einen Augenblick lang verharrte er mit wirbelnden Flügeln, dann ging er auf dem offenen Platz zwischen den Höhlen nieder.
»Was ist das denn?«, keuchte Lusa, die Stimme schrill vor Angst.
Kalliks Herz raste ebenfalls und ihr Atem ging stoßweise und schnell. Erinnerungen stürmten auf sie ein, Erinnerungen an den schrecklichen Flug mit Nanuk, bei dem der Schwirrvogel vom Himmel gefallen war, an das lodernde Feuer und wie sie plötzlich in den eiskalten Schnee gefallen war. Sie hatte zusehen müssen, wie Nanuk starb, und war allein zurückgeblieben.
»Sie kommen, um uns zu holen!«, erklärte sie Lusa und kämpfte gegen die Panik an.
»Wir müssen uns verstecken«, bellte Lusa. Als der Schwirrvogel auf dem Boden aufgesetzt hatte, kamen seine kreisenden Flügel langsam zum Stehen.
Im Schutz der Höhlen schlichen die beiden Bärinnen zum Rand der Siedlung und rasten dann zu dem großen Felsen, unter dem sie sich mit Toklo schon in der Nacht zuvor versteckt hatten. Von dort aus beobachteten sie, was geschah.
Der Schwirrvogel öffnete sich seitlich und drei Flachgesichter kamen heraus. Sie trugen schwarze Pelze und hielten etwas in den Pfoten, das dünn und eckig war. Kallik nahm einen herben, unnatürlichen Geruch wahr, bei dem ihr der Pelz vor Ekel juckte.
»Solche Flachgesichter habe ich noch nie gerochen«, flüsterte sie Lusa zu. Sie verströmten einen ätzenden Geruch, dem Kallik in der Wildnis noch nie begegnet war.
Die drei Männer standen einen Augenblick zusammen da und unterhielten sich. Sie sahen völlig anders aus als die Flachgesichter in der Siedlung. Ihre schwarzen Pelze waren dünn und glänzend, die Kopfbehaarung kurz und glatt. Kallik fragte sich, ob der Schwirrvogel sie von weit her gebracht hatte. Sie wünschte, er würde sie schon bald wieder zurückfliegen.
Plötzlich öffneten sich die Eingänge zu mehreren Höhlen und die Bewohner kamen heraus. Kallik drückte Lusa tiefer in den Schutz des Felsens. »Pass auf, dass uns keiner sieht«, zischte sie.
»Vielleicht wollen sie kämpfen?«, fragte Lusa. »Wie Grizzlybären, wenn Fremde in ihr Revier kommen.«
Kallik streckte die Schnauze hinter dem Felsen hervor und sah, dass die einheimischen Flachgesichter den Fremden die Pfoten schüttelten. Sie schienen nicht wütend zu sein, dass sie gekommen waren.
Die Dorfbewohner führten ihre Besucher in eine der größeren Höhlen. Auch der Heiler verließ seinen Bau und schloss sich ihnen an.
»Das ist eine Art Flachgesichterversammlung«, berichtete Kallik Lusa. »Ich frage mich, was sie vorhaben.« Sie hatte den Blick fest auf den Eingang gerichtet, hinter dem die Flachgesichter verschwunden waren. Hatte der Heiler womöglich erraten, dass Ujurak kein echtes Flachgesicht war? Bat er die anderen, die mit dem Schwirrvogel gekommen waren, ihn mitzunehmen?
Wir hätten Ujurak nie herbringen dürfen, dachte sie. Aber sonst wäre er gestorben! Was hätten wir denn tun sollen?
»Wir müssen Ujurak hier wegbringen«, erklärte Lusa, die offenbar denselben Gedanken hatte wie Kallik. »Schnell, während die Flachgesichter noch alle reden.«
Kallik sah sich um, ob noch Flachgesichter draußen waren, doch zwischen den Hütten war alles leer. Sie vermutete, dass die meisten in dem großen Bau waren. »Gehen wir«, flüsterte sie.
Sie rannten über den offenen Platz und blieben vor dem Bau des Heilers stehen. Lusa untersuchte den Eingang.
»Mach schnell!«, drängte Kallik.
»Du hältst Wache«, zischte Lusa und fuhr mit der Kralle den Spalt neben der Holzeinfassung entlang. Eine Weile geschah gar nichts. Lusa murmelte vor sich hin, während Kallik der Pelz kribbelte vor Angst, dass eines der Flachgesichter kommen und sie entdecken könnte.
Endlich hörte Kallik ein Klicken.
»Hab’s!«, schnaubte Lusa und drückte den Eingang auf.
Als Kallik Lusa in die Höhle folgte, stand ihr jedes einzelne Haar zu Berge. Das war einfach nicht richtig. Bären hatten in einer Flachgesichterhöhle nichts zu suchen!
Als sie sich umsah, fiel ihr die schimmernde Öffnung in der Wand auf, durch die sie hineingesehen hatten. Ihr Herz hämmerte. Sie hasste dieses Gefühl,
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