Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
wie die Flachgesichterjungen aus, die so oft im Bärengehege zu Besuch gewesen waren. Wenn sie für ihn tanzte, vielleicht würde er ihr dann ein Stück Obst zuwerfen, so wie die Fütterer es immer getan hatten? Beim Gedanken an Blaubeeren lief ihr das Wasser im Maul zusammen. Hoffnungsfroh erhob sich Lusa auf die Hinterbeine und schlug mit den Vordertatzen in die Luft. Das Flachgesichterjunge begann zu schreien.
Erschrocken verlor Lusa das Gleichgewicht. Die Tür zur Höhle flog auf und ein großes männliches Flachgesicht kam mit fuchtelnden Tatzen brüllend herausgestürmt. In einer der Tatzen hielt er einen langen Stock. Als er ihn herumschwang und auf sie richtete, bemerkte Lusa, dass er genauso aussah wie die Stöcke, die der Fütterer mit dem Fell benutzt hatte, um sie und ihre Mutter in den Schlaf zu schicken.
Sie drehte sich um und raste auf den nächsten Zaun zu. Sie wollte nicht in den Schlaf geschickt werden! Mit einem mächtigen Satz grub sie ihre Krallen in das Holz und hievte sich nach oben. Gerade als sie sich auf die andere Seite schwang, krachte es. Die Kante des Zauns zersplitterte neben ihr.
Lusas Krallen rutschten ab, und sie stürzte so heftig zu Boden, dass ihr die Luft wegblieb. Unter Schmerzen rappelte sie sich auf und humpelte Richtung Wald. Sie wusste nicht genau, was soeben passiert war, aber wenn der Stock nicht den Zaun, sondern sie getroffen hätte, dann wäre wohl sie in lauter kleine Stücke zerfetzt worden.
Sie fand eine Vertiefung zwischen zwei Bäumen und nahm zitternd darin Zuflucht. Ein Teil von ihr wollte für immer hierbleiben. So hatte sie sich ihre Reise nicht vorgestellt! Vielleicht hatte King doch recht, vielleicht hätte sie doch im Bärengehege bleiben sollen. Der andere Teil von ihr wusste jedoch, dass sie weiterziehen musste, sobald es wieder dunkel wurde. Sie musste durch den Wald und dann weiter zum Berg. Wenn sie erst einmal in der echten Wildnis war, weit weg von allen Flachgesichtern … Sicher, dort würden andere Gefahren auf sie lauern, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass es so schlimm werden würde wie das, was sie bisher erlebt hatte.
Lusa schlief den ganzen Tag, und als die Nacht anbrach, musste sie sich zwingen, ihren Unterschlupf zu verlassen. Eine weitere Flachgesichterhöhle lag nur wenige Bärenlängen entfernt hinter den Bäumen, aber sie wollte nicht riskieren, noch einmal von einem spuckenden Stock angegriffen zu werden. Zunächst einmal wollte sie den Wald erreichen, dort würde sie dann auf Nahrungssuche gehen.
Sie schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, bis sie zu einem Pfad kam. Hier blieb sie stehen und blickte in den Nachthimmel. Ihr stockte der Atem. So viele Sterne! Sie hatte nicht gewusst, dass es so viele gab. Der orangefarbene Schein der Lichter rund um das Bärengehege musste sie verborgen haben. Aber hier draußen, wo es viel dunkler war, konnte sie all die winzigen Sterne klar und deutlich am tiefschwarzen Himmel glitzern sehen.
»Tausende von Sternen«, hauchte sie.
Jetzt konnte sie auch die Sterne aus Stellas Erzählungen erkennen. Sie sah die kleine Schwarzbärin, die den Bärenwächter in ihrem Schwanz hatte, und den großen Braunbären, der sie über den Himmel jagte. Diese kleine Bärin musste tapfer sein und an ihr wollte Lusa sich ein Beispiel nehmen.
Sie trottete weiter, den Blick fest auf den dunklen Umriss des Berges vor sich gerichtet. Sie lief über weite Lichtungen, durch Gruppen von Bäumen, an stillen Flachgesichterhöhlen vorbei. Sie wanderte die ganze Nacht. Und dann schließlich, gerade als die Sonne den ersten blassen Goldschimmer über den Horizont schickte, überquerte Lusa einen letzten Steinpfad, blickte auf und sah, wie sich über ihr der langgezogene Hang des Berges erhob.
Direkt vor ihr jedoch begann der Wald, und er erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Die Bäume waren riesig, unermesslich viel größer als die dürren Bäumchen im Bärengehege. Lusa konnte sich gut vorstellen, dass die Seelen der Bären hierherkamen, nachdem sie gestorben waren. Schon glaubte sie ihr Flüstern in der sanften Brise, die durch die Blätter säuselte, hören zu können.
Sie stand am Rande des Waldes und blickte hinauf ins Astwerk.
»Ich bin es, Lusa«, flüsterte sie den Baumseelen zu. »Endlich bin ich bei euch.«
24. KAPITEL
Toklo
Toklo starrte den jungen Glattpelzigen an. Er konnte seine Sprache sprechen!
»Bitte hilf mir«, sagte der Glattpelzige. »Ich will dir nichts tun.« Seine
Weitere Kostenlose Bücher