Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
denke ich, aber da stört ein ausnehmend hässliches Geräusch das Idyll. Ich brauche eine Weile, bis ich es einordnen kann. Da schnarcht jemand! Im Garten! Und zwar so richtig laut! Ich lausche, und dann bin ich mir sicher. So gekonnt sägt nur einer.
Mit der Taschenlampe, die ich im Garderobenschrank finde, und Jeanny im Schlepptau suche ich den Garten ab. Was sich allerdings als schwieriger herausstellt als gedacht, denn Rudolf hat sich inzwischen für eine Schnarchpause entschieden. Normalerweise weiß ich diese Unterbrechungen sehr zu schätzen, aber gerade jetzt finde ich sie äußerst unpraktisch. »Rudolf!«, zische ich ein paar Mal ... Keine Antwort. Laut zu rufen traue ich mich nicht, denn es soll ja nicht unbedingt die ganze Nachbarschaft mitbekommen, dass ich zu nachtschlafender Zeit meinen Herzallerliebsten wie ein Osterei im Garten suchen muss.
Einen Moment lang bin ich fast so weit, auf Rudolfs Anwesenheit in meinem Schlafzimmer zu verzichten – zumindest für diese Nacht –, da führt mich das gerade wieder einsetzende Sägen (dieses Mal in noch größerer Dezibelzahl) auf eine heiße Spur: zur Hollywoodschaukel nämlich, die, bestimmt schon seit Jahren ausrangiert, ganz hinten bei den Tannen auf bessere Zeiten wartet. Vorsichtshalber vergewissere ich mich dann aber doch mit Hilfe der Taschenlampe, dass es sich um Rudolf handelt. Als ich ihm ins Gesicht leuchte, murmelt er: »Noch einsch...«, und versucht sich umzudrehen, was auf der engen Hollywoodschaukel natürlich nicht gelingen kann. Nur mit vollem Körpereinsatz verhindere ich, dass er im nassen Gras landet. »Rudolf! Wach endlich auf!« Kurzerhand packe ich ihn an den Schultern, schüttle ihn.
»Noch einsch...«
Keine Ahnung, wo er versackt ist. Falls bei Moni, dann hat sie bestimmt keine große Freude an ihm gehabt, denn Rudolf ist so was von blau. Nur mit allergrößter Mühe gelingt es mir, ihn auf die Beine zu stellen. Immer wieder brabbelt er, ich müsse ihm doch noch eins einschenken, ein Bier aus »Schuschen...«
»Ja, ja, mach ich sofort«, sage ich. Am liebsten würde ich ihn ja hier draußen liegen lassen – natürlich mit einer Decke, ich bin ja kein Unmensch. Aber ich weiß, die lieben Nachbarn würden sich dieses Schauspiel bestimmt nicht entgehen lassen. Nebenan ist bereits das Licht im Badezimmer angegangen, jede Wette, gleich streckt Frau Stützle den Kopf aus dem Fenster und ...
»Jetzt reiß dich endlich zusammen!«, zische ich ungehalten, als Rudolf vor mir auf die Knie fällt und beteuert: »Ich liebe nur dich, mein Engel. Du hasch mir dasch Leben gerettet.«
Womit er vermutlich nicht so ganz falsch liegt, denn als ich ihn endlich im Bett habe und er sich breitmacht, merke ich, wie durchgefroren er ist. Ich rücke ein Stück zur Seite (was in Anbetracht seiner Alkoholfahne auch nicht verkehrt ist), doch Rudolf rückt sofort nach. Am liebsten würde ich ihn wecken, ihn im Halbschlaf einem Verhör unterziehen, gegen das sich seine BKA-Methoden wie die Sesamstraße ausnehmen, aber ich weiß: Wenn Rudolf schläft, dann schläft er. Davon abgesehen bin auch ich hundemüde und könnte mir womöglich gar nicht alles merken, was er mir jetzt alles gesteht.
4. Kapitel
Etwas kitzelt mich am Hals, und als ich eine unwillkürliche Bewegung mache, merke ich, dass es Rudolf ist.
»Ausgeschlafen?«, fragt er gut gelaunt. »Kaffee ist übrigens schon fertig, es sind auch frische Brötchen da. Aber ich dachte, vorher könnte man doch mal wieder ... Ach komm her, Schätzchen.«
Ich verkneife mir eine demotivierende Bemerkung wie: »Ach, du kannst tatsächlich schon wieder denken?«, und staune einfach nur. Phänomenal, wie sich dieser Mensch, den ich in dieser Nacht vor dem sicheren Erfrierungstod gerettet habe, so schnell wieder in diesen blendend aussehenden Mann verwandeln konnte, in den ich mich am Taxistand so unsterblich verliebt habe. Frisch rasiert, in gebügelten Jeans und blütenweißem T-Shirt, nach dezentem Duschgel duftend, sitzt er auf der Bettkante und lässt seine Finger wandern.
»Hm«, mache ich genussvoll und schließe die Augen. Um sie allerdings sofort wieder aufzureißen, denn Rudolf fragt: »Von wem hast du heute Nacht geträumt?«
Und wenn er hundert Mal beim BKA war, sage ich mir, auch er kann nicht in meine Träume schauen, und murmle deshalb ganz entspannt: »Nur von dir, Liebling, das weißt du doch.«
»Schätzchen, du hast im Traum gesprochen, aber es hörte sich nicht wie
Rudolf
an. Eher, na,
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