Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
Unterstützung geht Papa dann die Treppe hinunter und nickt, als ich ihn frage, ob er Kaffee möchte.
»Frühstück dauert noch einen Moment. Rudolf holt gerade Seelen«, sage ich und werfe einen Blick auf die Uhr. Länger als eine halbe Stunde kann er doch für diesen kurzen Weg nicht brauchen, nicht einmal, wenn er in der Bäckerei ewig warten muss. Dass Rudolf sich in Aulendorf verirrt, halte ich für ausgeschlossen. Und so bleibt nur die deprimierende Schlussfolgerung übrig: Er befindet sich schon wieder auf dem üblichen Umweg.
Ich muss geseufzt haben, denn Papa lächelt mich über den Rand seiner Kaffeetasse aufmunternd an. »Ach Gisela«, sagt er, aber das macht mich nur noch trauriger.
In dieser Stimmung erwischt mich Yasemin auf dem Festnetztelefon, und weil Papa nicht mitkriegen muss, mit welchen Problemen ich zu kämpfen habe, verschwinde ich mit dem Apparat ins Wohnzimmer.
»Rate mal, mit wem ich gerade telefoniert habe? Du kommst nicht drauf. Mit Rudolf, mit deinem Rudolf!«, sprudelt sie heraus. »Er ist beim Bäcker und ... Puh, mir ist ganz heiß geworden. Ich wusste ja gar nicht mehr, was für ’ne männlich sonore Stimme er hat. Wow! Aber keine Sorge, ich kann mein und dein sehr gut unterscheiden, und es wurde auch mal wieder Zeit, dass ich mit ihm rede. Immerhin ist er der Freund meiner besten Freundin.«
Erst jetzt kapiere ich. »Ach so, klar. Mein Geburtstag, hab ich recht? Bring Rudolf bloß irgendwie bei, dass ich immer noch diese eine Handtasche haben will. Aber um Himmels willen nicht in Schwarz! Hast du gehört? Auf gar keinen Fall in Schwarz!«
»Ich wird’s ihm stecken, verlass dich drauf. Aber gerade eben ging es gar nicht um deinen Geburtstag. Tut mir leid. Ich wollte eigentlich dich sprechen, aber Rudolf hat wohl versehentlich dein Handy eingesteckt.«
Vielleicht war es doch kein so genialer Einfall von mir, Partnerhandys für uns zu besorgen (allerdings zu einem absoluten Tiefpreis, und darauf gab’s dann auch noch einen satten Treuekundenrabatt), und ich kann jetzt nur hoffen, dass Rudolf nicht auf die grandiose Idee kommt, mein Telefonbuch durchzublättern. Gleich nachher werde ich alles unter L (L wie Lover) löschen. Sicher ist sicher, man weiß ja nie.
»Falls es dich interessiert, wie krisenfest dein Arbeitsplatz ist:
Creativa
macht es garantiert nicht mehr lange«, höre ich Yasemin sagen. »Außerdem könntest du mich gefälligst mal fragen, warum ich am Samstagvormittag arbeite.«
»Ich nehme mal an, du hattest Sehnsucht nach deinem Büro? Oder ist mal wieder deine Großfamilie aufgetaucht und hat deine Wohnung besetzt? ... Nein? ... Yasemin, hilf mir gefälligst weiter, ich habe keine Lust, noch länger zu raten.«
»Mara hat mich gestern Abend spät angerufen. Angeblich hat sie einen dicken Fisch an der Angel, hat was von Vertragsabschluss gedröhnt. Sag jetzt bloß nicht, das sei ein Lichtblick. Gleich ist es halb zehn, und hier ist weit und breit keine Mara zu sehen, geschweige denn ein dicker Fisch.«
»Mara kommt immer zu spät, das wissen wir doch.«
»Trotzdem.« Sie senkt die Stimme. »Du kannst mir sagen, was du willst, aber es bedeutet nichts Gutes, wenn die Chefin sich erst tagelang nicht blicken lässt und dann auch noch zu spät kommt. Glaub jetzt bloß nicht, dass ich Sehnsucht nach ihr habe, das bestimmt nicht. Ich hätte nur gern diesen netten kleinen Job noch ’ne Weile länger. Ich wette mit dir, nächste Woche sind wir pleite, und an der Tür hängt dann nicht mehr unser todschickes Firmenschild, sondern ein widerlicher Kuckuck. Was meinst du, wie schnell ich dann weg bin aus Berlin. Ich will auf alle Fälle in meine alte Heimat zurück.«
»Nach Istanbul?«, frage ich überrascht.
Yasemin lacht auf. »Istanbul? Wie kommst du denn darauf? Was soll ich denn dort? Nein, ich gehe zurück nach Heslach, nach Stuttgart-Heslach, wenn du es ganz genau wissen willst. Und jetzt erzählst du mir endlich, was bei dir läuft. Deine Stimme klingt im Moment übrigens nicht so, als würdest du vor lauter Glück platzen.«
Ich beschränke mich darauf, von Rudolf und seinen neuesten Eskapaden zu erzählen, weil Yasemin – mit ihren fünf Semestern Psychologie – dazu bestimmt etwas Qualifiziertes einfällt. Aber sie schweigt erst einmal, beunruhigend lange, wie ich finde.
»Und wie geht das jetzt weiter mit euch?«, fragt sie schließlich.
»Das wollte ich eigentlich von dir wissen.«
»Schwierig ... Was hältst du von Voodoo? Abayomi, du erinnerst
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