Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
perfekte Drehbuch im Kopf. Natürlich mit einem wunderschönen Happy End für euch beide! Ich möchte dich ...«
»Drehbuch?«, unterbreche ich sie fassungslos. »Wie bitte?«
Frieda nickt stolz. »Überwiegend war ich mit unseren schauspielerischen Leistungen ganz zufrieden. Es gab natürlich auch einige böse Ausreißer. Helga Blumer zum Beispiel spielt in unseren Stücken immer das Hausmädchen, und ich dachte, deshalb sei sie auch hier die ideale Besetzung. Leider hat Helga als erfolgreiche Bankerin von Haushalt nicht den geringsten Schimmer. Sie hat sich vermutlich eingebildet, es würde reichen, einmal mit dem Staubwedel durchs Haus zu laufen. Und dass sie dann auch noch das Etikett an der Kittelschürze vergessen hat ... Oh, oh, oh.«
Papa ist aufgestanden und holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich lächle ihn an. Mein Gott, bin ich erleichtert, dass es ihm so gut geht. Keine Spur von Krankheit, keine Spur von Demenz – im Gegenteil.
Er scheint meine Gedanken gelesen zu haben, denn er prostet mir zu und meint: »Ich bin topfit, glaub mir. Aber es war klar, du kommst nur nach Hause, wenn es mir sehr schlecht geht. In unserem Drehbuch waren dafür eigentlich drei, vier Tage vorgesehen, aber dann hat uns dein Rudolf einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wer hat denn schon damit gerechnet, dass er mitkommt.«
»Bereits in Ulm mussten wir gewaltig improvisieren«, ergänzt Frieda. »Nur gut, dass ich vorgesorgt hatte. Über eine hervorragende Detektei in Berlin wusste ich alles über deinen grandiosen Galeristen, seinen gesamten Lebenslauf, Beziehungen, Seitensprünge und so weiter und so fort. Ich kann dir nur flüstern, Casanova war ein Waisenknabe gegen diesen Kerl. Aber eines war fatal. Mit meinem ursprünglichen Drehbuch hatte die Realität dann plötzlich nur noch wenig zu tun. Wir mussten uns ständig übers Handy absprechen und neu planen. Telefonkonferenz, wenn du so willst. Und dein Vater wurde zunehmend ungeduldiger. Seine Rolle war ja auch nicht einfach, wie ich zugeben muss.«
Papa lacht. »Nicht einfach? Frieda, von wegen. Ich hatte eine sterbenslangweilige Rolle. Mein einziges Vergnügen war das tägliche Schachduell mit Josef am Telefon. Und Alfons kam auf die Idee, dass sie mich besuchen könnten, und dann durfte ich ja zum Glück aufs Schlossfest. Dorle, ich glaube, dein Handy klingelt.«
»Kann sein«, murmle ich nach einem raschen Blick auf das Display. »Ist aber nicht wichtig.«
»Rudolf?« Frieda lupft die Augenbrauen. »Vermutlich wird der Ärmste im Hotel übernachten müssen. Bei Moni ist nämlich kein Platz.«
»Versteh ich nicht, sie ist doch scharf auf ihn.«
»Meine liebe Dorothea, man merkt, dass du lange nicht hier warst. So, wie du denkst, ist es nicht. Moni hat es nämlich nicht einfach. Sie jobbt mal hier, sie jobbt mal dort, seit über neun Jahren malt sie auch schon, aber sie kommt einfach nicht vom Fleck. Ich kenne jedenfalls niemanden, der ihr je ein Bild abgekauft hätte. Da hätte doch jede mit vollem Körpereinsatz gearbeitet. Aber den Rest weißt du ja selbst.«
Ich will etwas sagen, aber Frieda ist noch nicht fertig. Sie holt Luft: »Wenn ich vielleicht noch was zu unserer lieben Renate anmerken darf: Schauspielerisch war sie ein totaler Flop, das reinste Nervenbündel eben. Nicht nur Wolfgang hat befürchtet, sie würde komplett aus der Rolle fallen, dir womöglich alles gestehen, und deshalb blieb uns nichts anderes übrig, als die beiden kurzfristig in Urlaub zu schicken.« Frieda verdreht die Augen. »Leider bei mir im Haus. Ich wusste nämlich nicht, ob ich sie nicht doch noch einmal kurzfristig auftreten lassen musste. Da wollte ich sie dann doch lieber in der Nähe haben. Ein echtes Opfer, das kannst du mir glauben. Deshalb war ich auch heute Morgen schon so früh hier; ich konnte Renates Geschwätz einfach nicht mehr ertragen. Und falls es dich interessiert: Moni war übrigens nirgendwo im Drehbuch vorgesehen, aber ich war dann froh, als Renate sie ins Spiel brachte. Dass du es nur weißt, Moni hat absolut keine Ahnung von allem. Aber durch sie kam die ganze Geschichte erst richtig in Fahrt, und Rudolf ist endlich Vergangenheit. Ich habe doch recht?« Sie sieht mich erwartungsvoll an. »Ich erhoffe jetzt zumindest ein zustimmendes Nicken von dir, meine Liebe.«
»Frieda, lass gut sein, das überfordert Dorle jetzt«, sagt Papa.
Ich schüttle den Kopf. »Nein, überhaupt nicht, ich muss das bloß alles erst einmal verdauen. Ich hab schon
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