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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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so wimmelte. Auf einem Bild über einem der beiden offenen Kamine maßen sich zwei Ritter in glänzender Rüstung im Turnier und kreuzten dabei elegant die Lanzen, ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen. Das Fresko war eindeutig von demselben blauäugigen
Ritter-Romantiker gemalt worden, der auch die Eingangshalle verschönert hatte. Eine Doppeltür führte in einen weiteren, nicht weniger vollgestellten Raum, dessen Wände mit Regalen bedeckt waren.
    »Ist das eine Bibliothek?« Und schon hatte ich Ysabeaus feindseligen Empfang vergessen. »Kann ich deine Ausgabe der Aurora Consurgens sehen?«
    »Später«, beschied mir Matthew mit fester Stimme. »Erst wirst du etwas essen und dann schlafen.«
    Er führte mich zu einer weiteren Wendeltreppe, wobei er sich mit der Leichtigkeit langjähriger Erfahrung durch das Labyrinth uralter Möbel schlängelte. Ich folgte ihm deutlich zaghafter, vor allem nachdem ich mit dem Schenkel eine Kommode mit geschwungener Front gestreift und dadurch eine Porzellanvase ins Schwanken gebracht hatte. Als wir endlich am Fuß der Treppe angekommen waren, blieb Matthew stehen.
    »Es sind viele Stufen, und du bist müde. Soll ich dich tragen?«
    »Auf keinen Fall«, entgegnete ich entrüstet. »Du wirst mich bestimmt nicht über die Schulter werfen wie ein mittelalterlicher Raubritter, der seine Kriegsbeute nach Hause schleppt.«
    Matthew presste die Lippen zusammen, und seine Augen funkelten.
    »Wage es nicht, mich auszulachen.«
    Natürlich tat er es doch, und sein Lachen hallte von den Steinmauern wider, als hätte sich ein ganzes Rudel von Vampiren im Treppenturm versteckt. Wohin, wenn nicht hierher, hatten früher Ritter ihre Frauen geschleppt? Trotzdem hatte ich nicht vor, zu ihnen zu zählen.
    Auf dem fünfzehnten Treppenabsatz bekam ich Seitenstechen. Die ausgetretenen Steinstufen waren nicht für menschliche Füße und Beine geschaffen  – sie waren eindeutig für Vampire wie Matthew entworfen worden, die entweder knapp zwei Meter groß oder extrem behände oder beides waren. Ich biss die Zähne zusammen und kletterte weiter. Nach einer letzten Drehung öffnete sich unerwartet ein Raum.
    »Oh.« Automatisch nahm ich die Hand vor den Mund.
    Man brauchte mir nicht zu erklären, wessen Zimmer das war. Es war Matthews, durch und durch.

    Wir befanden uns im eleganten Rundturm des Châteaus  – der hinter dem massigen Hauptgebäude aufragte und als letzter Turm noch ein glattes, konisches Kupferdach besaß. Hohe, schmale Fenster durchbrachen die Mauern, und ihre Bleiglasscheiben ließen in schmalen Schlitzen das Licht und die Herbstfarben der Felder und Wälder draußen herein.
    Der Raum war rund, doch hier und da glätteten hohe Regale die Rundung zu geraden Linien. In die Wand, die an das Hauptgebäude des Châteaus grenzte, war ein großer Kamin eingelassen. Dieser Kamin war auf wundersame Weise der Verschönerung durch den romantischen Freskenmaler entkommen. Es gab Sessel und Sofas, Tische und Sitzkissen, größtenteils in Grün-, Braun- und Goldtönen. Trotz seiner Größe und der vielen grauen Steinmauern wirkte der Raum gemütlich und warm.
    Die faszinierendsten Objekte im Raum waren jene, die Matthew aus seinen vielen verschiedenen Leben behalten hatte. Auf einem Regalbord lehnte neben einer Muschel ein Gemälde von Vermeer. Es war mir unbekannt  – keines der wenigen bekannten Bilder dieses Künstlers. Der Porträtierte sah Matthew verdächtig ähnlich. Über dem Kamin hing ein Breitschwert, das so lang und schwer war, dass niemand außer einem Vampir es geführt haben konnte, und in einer Ecke wartete eine Matthew-große Rüstung. Gegenüber hing an einem Holzgestell ein alt aussehendes menschliches Skelett, dessen einzelne Knochen anscheinend mit etwas wie Klaviersaiten zusammengeknotet waren. Auf dem Tisch daneben standen zwei Mikroskope, die, wenn ich mich nicht sehr irrte, im siebzehnten Jahrhundert hergestellt worden waren. In einer Nische hing neben einer atemberaubend schönen, aus Elfenbein geschnitzten Jungfrau Maria ein kunstvolles, mit großen roten, grünen und blauen Steinen besetztes Kruzifix.
    Matthews Schneeflocken trieben über mein Gesicht, während er beobachtete, wie ich seine weltlichen Güter in Augenschein nahm.
    »Das ist ein Matthew-Museum«, stellte ich leise fest, denn ich wusste, dass jedes Objekt eine Geschichte erzählte.
    »Es ist nur mein Arbeitszimmer.«

    »Woher hast du …« Ich deutete auf die Mikroskope.
    »Später«, sagte

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