Seelen der Nacht
ging ich die letzten Schritte auf ihn zu. Als ich direkt vor ihm stand, nahm ich seine Arme.
»Ysabeau hat mir noch mehr erzählt. Wir haben über deinen Vater gesprochen. Sie hat mir nicht nur alle ihre Namen verraten, sondern auch deine, und sie hat mir erklärt, welche du nicht magst. Ich weiß noch nicht genau, was das zu bedeuten hat, aber ich bin mir sicher, dass sie das nicht jedem erzählt. Und sie hat mir erzählt, wie sie dich gemacht hat. Das Lied, mit dem sie die Hexenflut zum Versiegen gebracht hat, war dasselbe, das sie dir vorsang, als du zum Vampir geworden warst.« Als du nicht aufhören konntest zu jagen.
Matthew musste sich anstrengen, um mir in die Augen zu sehen. In seinen Pupillen entdeckte ich einen Schmerz und eine Verletzlichkeit, die er bis zu diesem Augenblick sorgsam vor mir verborgen hatte. Der Anblick brach mir das Herz.
»Ich kann das nicht riskieren, Diana«, sagte er. »Ich will dich – mehr als ich jemals jemanden gewollt habe. Ich begehre dich mit meinem Körper, ich begehre dich mit meinem Herzen. Falls meine Konzentration auch nur einen Sekundenbruchteil nachlässt, während wir jagen,
könnte dein Geruch den eines Hirschen überlagern, und meine Jagdlust könnte sich mit meiner Lust nach dir vermischen.«
»Ich gehöre dir bereits.« Ich hielt ihn mit Händen, Augen, Geist und Herz fest. »Du brauchst mich nicht mehr zu jagen. Du hast mich bereits erlegt.«
»So funktioniert das nicht«, sagte er. »Ich werde dich nie wirklich besitzen. Ich werde immer mehr wollen, als du mir geben kannst.«
»Heute Morgen im Bett war das anders.« Meine Wangen begannen zu glühen, als ich daran denken musste, wie er mich abgewiesen hatte. »Ich war mehr als bereit, mich dir hinzugeben, aber du hast nein gesagt.«
»Ich habe nicht nein gesagt – ich sagte, später.«
»Jagst du genauso? Erst verführen, dann hinauszögern und zuletzt unterwerfen?«
Er schauderte. Das genügte mir als Antwort.
»Zeig es mir«, verlangte ich wieder.
»Nein.«
»Zeig es mir!«
Er knurrte, aber ich blieb standhaft. Das Grollen war eine Warnung, keine Drohung.
»Ich weiß, dass du Angst hast. Die habe ich auch.« In seinen Augen blitzte Bedauern auf, und ich brummte ungeduldig. »Zum letzten Mal, ich habe keine Angst vor dir . Meine eigenen Kräfte machen mir Angst. Du hast die Hexenflut nicht gesehen, Matthew. Als das Wasser in mir aufzusteigen begann, hätte ich jeden und alles auslöschen können, ohne auch nur den Hauch von Reue zu spüren. Du bist nicht das einzige gefährliche Geschöpf in diesem Raum. Aber wir müssen lernen, wie wir zusammen sein können, obwohl wir sind, was wir sind.«
Er lachte bitter auf. »Vielleicht ist es deshalb verboten, dass sich Vampire und Hexen mischen. Vielleicht ist es doch zu schwierig, alle diese Grenzen hinter sich zu lassen.«
»Das glaubst du nicht wirklich«, erklärte ich heftig, nahm seine Hand und hielt sie an mein Gesicht. Die kalte Berührung auf meinen
erhitzten Wangen jagte ein köstliches Gefühl durch meinen Körper, und mein Herz begann wie üblich anerkennend zu pochen. »Was wir füreinander empfinden, ist nicht falsch – es kann nicht falsch sein.«
»Diana.« Er schüttelte den Kopf und wollte seine Finger zurückziehen.
Ich fasste ihn fester und drehte die Handfläche nach oben. Seine Lebenslinie war lang und glatt, und nachdem ich sie nachgefahren war, ließ ich meine Finger auf seinen Adern ruhen. Fast schwarz lagen sie unter der weißen Haut, und Matthew erschauerte unter meiner Berührung. Ich sah immer noch Schmerz in seinen Augen, aber seine Wut war halb verraucht.
»Es ist nicht falsch. Das weißt du selbst. Und du musst endlich begreifen, dass du auch mir vertrauen kannst.« Ich verschränkte meine Finger mit seinen und ließ ihm Zeit zum Nachdenken. Aber ich ließ nicht los.
»Ich nehme dich mit zum Jagen«, gab sich Matthew schließlich geschlagen, »vorausgesetzt, du kommst nicht in meine Nähe und steigst nicht von Rakasa ab. Wenn du auch nur den Verdacht hast, dass ich dich ansehe – dass ich auch nur an dich denke –, machst du kehrt und reitest sofort nach Hause zu Marthe.«
Nachdem die Entscheidung gefallen war, eilte Matthew steif nach unten, wartete aber jedes Mal geduldig auf mich, wenn er merkte, dass ich nicht nachkam. Als er an der Tür zum Salon vorbeisegelte, stand Ysabeau aus ihrem Sessel auf.
»Komm«, sagte er angespannt, packte mich am Ellbogen und zog mich nach unten.
Ysabeau war uns
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