Seelen der Nacht
dein Fenster geklettert war.«
»Was redest du da?« Mir gefror das Blut in den Adern. Matthew würde mich keinesfalls von seinem Blut kosten lassen. Und er würde keinesfalls in mein Territorium eindringen. Falls er es doch getan hatte, musste er einen guten Grund dafür gehabt haben, und den hätte er mir verraten.
»Als ihr euch das erste Mal begegnet seid, ist dir Clairmont in dein Apartment gefolgt. Er ist durch ein offenes Fenster eingestiegen und stundenlang in deinen Räumen geblieben. Bist du nicht aufgewacht? Wenn nicht, dann hat er dich bestimmt von seinem Blut kosten lassen, damit du weiterschläfst. Wie sollte das sonst zu erklären sein?«
Ich war mit einem starken Nelkengeschmack im Mund aufgewacht. Ich verschloss die Augen vor der Erinnerung und vor dem Schmerz, den sie mit sich brachte.
»Eure Beziehung ist nichts als ein kunstvoller Betrug, Diana. Matthew Clairmont will nur eines von dir: das verlorene Manuskript. Alles, was der Vampir getan hat, jede Lüge, die er dir dabei erzählt hat, war allein darauf ausgerichtet.«
»Nein.« Das war unmöglich. Gestern Nacht hatte er mich bestimmt nicht angelogen. Nicht als wir uns in den Armen gelegen hatten.
»Doch. Es tut mir leid, dass ich dir das sagen muss, aber du hast uns keine Wahl gelassen. Wir haben euch zu trennen versucht, aber du bist so stur.«
Genau wie mein Vater , dachte ich. Ich kniff die Augen zusammen. »Woher weiß ich, dass du mich nicht anlügst?«
»Hexen können einander nicht belügen. Schließlich sind wir Schwestern.«
»Schwestern?«, wiederholte ich mit frisch erwachtem Misstrauen. »Du bist genau wie Gillian – die sich als Schwester ausgibt, während sie mich in Wahrheit aushorchen und mich von Matthew trennen will.«
»Also weißt du das mit Gillian«, sagte Satu traurig.
»Ich weiß, dass sie mich beobachtet hat.«
»Weißt du auch, dass sie tot ist?« Plötzlich lag Gift in Satus Stimme.
»Was?« Der Boden schien unter mir wegzukippen, und ich spürte, wie ich unaufhaltsam in die Tiefe schlitterte.
»Clairmont hat sie getötet. Darum wollte er dich so schnell aus Oxford wegbringen. Ein weiterer Mord an einem unschuldigen Opfer, der trotz aller Bemühungen in die Presse kam. Wie lautete die Schlagzeile noch…? Ach ja: ›Junge amerikanische Gelehrte stirbt auf Forschungsreise im Ausland‹.« Satus Mund verzog sich zu einem bösartigen Lächeln.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Matthew würde sie bestimmt nicht umbringen.«
»Ich versichere dir, dass er es getan hat. Bestimmt hat er sie zuerst ausgehorcht. Offenbar haben die Vampire noch immer nicht gelernt, dass es nichts bringt, den Boten umzubringen.«
»Das Bild meiner Eltern.« Ich traute Matthew zu, dass er jeden töten würde, der mir dieses Bild geschickt hatte.
»Es war äußerst ungeschickt von Peter, dir dieses Bild zu schicken, und äußerst unbedacht, es von Gillian überbringen zu lassen«, fuhr Satu fort. »Allerdings ist Clairmont zu klug, um Beweise zu hinterlassen. Er ließ es wie einen Selbstmord aussehen und lehnte ihren Leichnam wie eine Visitenkarte an Peters Zimmertür im Randolph Hotel.«
Eine Freundin war Gillian Chamberlain nicht gewesen, aber das Wissen, dass sie nie wieder über ihren in Glas eingefassten Papyrusfragmenten
brüten würde, verunsicherte mich mehr, als ich erwartet hätte.
Und Matthew hatte sie getötet. Mir schwirrte der Kopf. Wie konnte Matthew behaupten, dass er mich liebte, und mir gleichzeitig so etwas vorenthalten? Geheimnisse waren eines, aber ein Mord – selbst unter dem Deckmantel von Rache und Vergeltung – war etwas anderes. Immer wieder hatte er mich gewarnt, dass ich ihm nicht trauen konnte. Ich hatte ihm nicht geglaubt und seine Mahnungen ignoriert. Hatte auch das zu seinem Plan gehört, war auch das nur eine Strategie gewesen, damit ich ihm vertraute?
»Du musst dir von mir helfen lassen.« Satus Stimme war wieder sanft geworden. »Die Sache ist außer Kontrolle geraten, und du schwebst in Gefahr. Ich kann dir beibringen, deine Kräfte zu benutzen. Dann wirst du dich vor Clairmont und anderen Vampiren schützen können. Eines Tages wirst du eine große Hexe sein, genau wie deine Mutter. Du kannst mir vertrauen, Diana. Wir sind deine Familie.«
»Familie«, murmelte ich betäubt.
»Deine Mutter und dein Vater hätten bestimmt nicht gewollt, dass du in die Fänge eines Vampirs fällst«, erklärte mir Satu, als wäre ich ein Kind. »Sie wussten, wie wichtig es ist, das Band
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