Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
Vom Netzwerk:
Ich wollte ironisch und heiter klingen, doch in meinem Mund erblühte etwas Bitteres, Neidisches, und ich klang stattdessen schroff.
    Matthew Clairmont hatte offenbar keine Hemmungen, seine übermenschlichen Fähigkeiten und seinen Blutdurst einzusetzen, um seine Karriere zu befördern. Falls der Vampir am Freitagabend zu entscheiden gehabt hätte, was mit Ashmole 782 geschehen sollte, er hätte die Illustrationen im Manuskript berührt. Davon war ich fest überzeugt.
    »Die Qualität seiner Arbeiten wäre leichter zu erklären, wenn er tatsächlich ein Wolf wäre«, meinte Chris geduldig, ohne auf meinen Tonfall einzugehen. »Aber da er keiner ist, muss man ihm wohl zugestehen, dass er ein exzellenter Kopf ist. Nachdem seine Ergebnisse veröffentlicht wurden, hat man ihn in die Royal Society aufgenommen. Man bezeichnete ihn schon als nächsten Attenborough. Dann ist er für eine Weile abgetaucht.«
    Kann ich mir vorstellen. »Und irgendwann tauchte er wieder auf und beschäftigte sich von da an mit Evolution und Chemie?«
    »Genau, allerdings war sein Interesse an der Evolution eine natürliche Folge seiner Arbeit mit den Wölfen.«
    »Und was an seinem chemischen Forschungen interessiert dich genau?«
    Plötzlich klang Chris zurückhaltender. »Ehrlich gesagt benimmt er sich wie ein Wissenschaftler, der auf etwas ganz Großes gestoßen ist.«
    »Das verstehe ich nicht.« Ich zog die Stirn in Falten.
    »Wir werden unruhig und komisch. Wir verstecken uns in unserem Labor und gehen auf keine Konferenz mehr, aus lauter Angst, wir könnten zu viel verraten und jemand anderem zu einem Durchbruch verhelfen.«
    »Ihr benehmt euch wie Wölfe.«
    »Ganz genau.« Chris lachte. »Er hat doch hoffentlich niemanden gebissen oder öffentlich den Mond angeheult?«

    »Nicht dass ich wüsste«, murmelte ich. »War Clairmont schon immer so eigenbrötlerisch?«
    »Das darfst du mich nicht fragen«, sagte Chris. »Allerdings ist er zugelassener Arzt und muss irgendwann Patienten behandelt haben, auch wenn man kaum etwas darüber weiß. Und die Wölfe hatten ihn gern. Andererseits war er in den letzten drei Jahren auf keiner der obligatorischen Konferenzen.« Er stutzte. »Moment mal, da war doch noch was, vor ein paar Jahren.«
    »Was denn?«
    »Da hatte er ein Papier erstellt  – ich weiß nicht mehr, worum es genau ging  –, und eine Frau fragte ihn etwas dazu. Es war eine kluge Frage, trotzdem versuchte er sie abzublocken. Die Frau ließ nicht locker. Er wurde erst ärgerlich und dann richtig wütend. Ein Freund, der dabei war, meinte, er hätte noch nie erlebt, dass jemand so schnell von galant auf arrogant umschaltet.«
    Ich war bereits am Tippen und versuchte, mehr über die Kontroverse zu erfahren. »Dr. Jekyll und Mr Hyde, wie? Online kann ich nichts über den Zank finden.«
    »Das überrascht mich nicht. Chemiker waschen ihre schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Das schadet uns allen, wenn die Forschungsgelder verteilt werden. Schließlich sollen uns die Schreibtischhengste nicht für überkandidelte Größenwahnsinnige halten. Diese Rolle überlassen wir lieber den Physikern.«
    »Bekommt Clairmont Forschungsgelder?«
    »Aber ja. Der schwimmt im Geld. Mach dir mal keine Sorgen um Professor Clairmonts Karriere. Er hat vielleicht den Ruf, Frauen wie kleine Mädchen zu behandeln, aber das hat den Geldfluss nicht versiegen lassen. Dafür sind seine Arbeiten zu gut.«
    »Bist du ihm jemals begegnet?« Ich hoffte, dass Chris mir eine Einschätzung von Clairmonts Charakter liefern konnte.
    »Nein. Die Leute kannst du an einer Hand abzählen, die ehrlich behaupten können, ihm begegnet zu sein. Er lehrt nicht. Dafür gibt es umso mehr Geschichten über ihn  – er mag keine Frauen, er ist ein intellektueller Snob, er beantwortet keine Post, er betreut keine Studenten.«
    »Klingt, als würdest du das alles für Nonsens halten.«
    »Nicht für Nonsens«, antwortete Chris nachdenklich. »Ich weiß nur nicht, ob das von Belang ist, schließlich könnte er eines Tages die Geheimnisse der Evolution entschlüsseln oder die Parkinson-Krankheit heilen.«
    »Das klingt ja wie eine Kreuzung zwischen Jonas Salk und Charles Darwin.«
    »Eigentlich keine schlechte Analogie.«
    »Er ist so gut?« Ich musste daran denken, wie verbissen und konzentriert Clairmont die Needham-Papiere studiert hatte, und argwöhnte, dass er besser war als nur gut.
    »Ja.« Chris senkte die Stimme. »Ich würde ohne mit der Wimper zu zucken hundert

Weitere Kostenlose Bücher