Seelen der Nacht
wie jeden Hinweis selbst erschloss, selbst wenn er noch so obskur war.
Hamish durchwühlte und sortierte sein Wissen, bis er das Gesuchte gefunden hatte. »Doch nicht aus Salem, Massachusetts?«
Matthew nickte grimmig. »Sie ist die letzte Hexe aus dem Geschlecht der Bishops. Ihr Vater ist ein Proctor.«
Der Dämon pfiff leise durch die Zähne. »Eine doppelte Hexe aus einer berühmten magischen Sippe. Du machst wirklich keine halben Sachen, wie? Sie muss mächtig sein.«
»Ihre Mutter war es jedenfalls. Rebecca Bishop beherrschte schon mit dreizehn Zaubersprüche, die den meisten Hexen zeitlebens zu schwer fallen. Und schon als Kind verfügte sie über unglaubliche Fähigkeiten als Seherin.«
»Kennst du sie, Matt?« Hamish musste das fragen. Matthew hatte schon zu viele Leben geführt und die Wege mit zu vielen Menschen und Geschöpfen gekreuzt.
Matthew schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es wurde viel über sie geredet – und es gab viel Neid. Du weißt, wie Hexen sind.« Wie immer, wenn er über diese Spezies sprach, klang er leicht angewidert.
Hamish ignorierte seinen Seitenhieb auf die Hexen und sah Matthew über den Rand seines Glases hinweg aufmerksam an.
»Und Diana?«
»Sie behauptet, dass sie ihre Magie nicht einsetzt.«
In diesem kurzen Satz gab es zwei lose Fäden, an denen es zu ziehen galt. Hamish zupfte an dem einfacheren. »Wie, überhaupt nicht? Nicht einmal, um einen verlorenen Ohrring zu finden? Oder zum Haarefärben?« Aus Hamishs Stimme sprach Zweifel.
»Sie ist nicht der Typ für Ohrringe und gefärbte Haare. Lieber läuft sie fünf Kilometer und rudert anschließend in einem gefährlich winzigen Boot den Fluss hoch und runter.«
»Bei solchen Eltern kann ich kaum glauben, dass sie ihre Kräfte nicht einsetzt.« Hamish war gleichzeitig Pragmatiker und Träumer. Darum konnte er so gut mit anderer Leute Geld umgehen. »Und du glaubst ihr auch nicht, sonst würdest du nicht andeuten, dass sie lügt.« Damit hatte er auch am zweiten Faden gezogen.
»Sie behauptet, sie würde ihre Magie nur gelegentlich einsetzen – und nur für Kleinigkeiten.« Matthew verstummte kurz, fuhr sich so ruppig durch die Haare, dass sie sich aufstellten, und nahm dann einen Schluck Wein. »Allerdings habe ich sie beobachtet und weiß, dass sie ihre Kräfte viel öfter einsetzt. Ich kann es riechen.« Zum ersten
Mal, seit er angekommen war, klang er offen und frei. »In ihrer Nähe riecht es wie ein elektrischer Sturm, der jeden Augenblick ausbrechen kann, wie ein Trockengewitter. Manchmal kann ich es sogar sehen. Wenn sie wütend wird oder sich in ihre Arbeit versenkt, beginnt sie zu schimmern.« Und wenn sie schläft , dachte er stirnrunzelnd. »Manchmal meine ich es sogar zu schmecken.«
»Sie schimmert ?«
»Du würdest das nicht sehen, allerdings könntest du die Energie vielleicht auf andere Weise spüren. Das Chatoiement – das Hexenschimmern – ist sehr schwach. Selbst in meiner Jugendzeit brachten nur die allermächtigsten Hexen hin und wieder die Luft zum Flimmern. Heute findet man das kaum noch. Diana weiß nicht, dass sie schimmert, und sie hat keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.« Matthew ballte schaudernd die Faust.
Der Dämon sah auf die Uhr. Der Tag war noch jung, aber er wusste schon jetzt, warum sein Freund nach Schottland gekommen war.
Matthew Clairmont hatte sich verliebt.
Jordan trat wie üblich genau zum richtigen Zeitpunkt ins Zimmer. »Der Gillie hat den Jeep gebracht, Sir. Ich habe ihm erklärt, dass Sie ihn heute nicht brauchen würden.« Der Butler wusste, dass man keinen Jagdhelfer brauchte, um Wild aufzuspüren, wenn man einen Vampir im Haus hatte.
»Exzellent.« Hamish erhob sich und leerte sein Glas. Er hätte ein zweites gebrauchen können, aber er wusste, dass er einen klaren Kopf behalten musste.
Matthew sah auf. »Ich ziehe lieber ohne dich los, Hamish. Ich würde lieber alleine jagen.« Der Vampir jagte nicht gern mit Warmblütern – eine Kategorie, die Menschen, Dämonen und Hexen einschloss. Normalerweise machte er bei Hamish eine Ausnahme, aber heute wollte er sein Verlangen nach Diana Bishop lieber ungestört in den Griff bekommen.
»Wir gehen gar nicht jagen«, erklärte ihm Hamish mit einem boshaften Funkeln in den Augen. »Wir gehen auf die Pirsch.« Der Dämon hatte einen Plan.
Er würde seinen Freund beschäftigt halten, bis er sich öffnete und ihm freiwillig erzählte, was in Oxford los war, ohne dass Hamish ihm jedes Wort aus
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