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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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weiter aus dem Fenster. Ihr Kopf wackelte, als könne sie ihn nicht mehr richtig steuern. Óðinn nahm an, dass sie ihm nicht in die Augen schauen wollte, vielleicht aus schlechtem Gewissen, als sie trocken hinzufügte: »Es ist eine Schande, wie mit diesen Heimen umgegangen wurde, da weiß man ja, was man jetzt zu erwarten hat, irgendwelche Aktenkrämer wollen sich profilieren, indem sie Veigar und mich in den Dreck ziehen, dabei kann er sich nicht mehr dagegen wehren. Jeder sieht doch, wie belanglos das alles ist. Sie und Ihresgleichen werden sich im Radio und in der Zeitung auf unsere Kosten aufspielen, dabei ist das alles an den Haaren herbeigezogen. Aber bitte sehr! Was soll ich sonst noch dazu sagen? Vergessen Sie nicht, dass Ihre Taten am Tag des Jüngsten Gerichts in die Waagschale der Gerechtigkeit gelegt werden.«
    »Es ist keineswegs unser Ziel, jemanden zu verurteilen. Wir überprüfen lediglich den Umgang der Behörden mit Kindern in einem Zeitraum, der auch die Jahre betrifft, in denen Sie und Ihr Mann das Heim geführt haben. Ich bin nicht hier, um Ihren Ruf zu schädigen, sondern um Ihnen die Gelegenheit zu geben, mir zu erzählen, wie es damals war. Natürlich hoffen alle Beteiligten, dass die Untersuchung bestätigt, dass in Krókur alles korrekt ablief.«
    »Und wie soll ein solches Heim Ihrer Meinung nach geführt worden sein?«, fragte sie und drehte sich wieder zu ihm, wobei ihr Kopf hin- und herwackelte.
    Óðinn hätte sie am liebsten aus ihrem Rollstuhl vom Balkon des Aufenthaltsraums gekippt, weil sie ihm so zuwider war, fuhr bei dem Gedanken aber unwillkürlich zusammen. Nach dem gestrigen Abend hatte er an nichts anderes gedacht als an seine mögliche Beteiligung an Láras Unfall. Er musste sich zusammenreißen.
    »Wir hoffen natürlich, dass die Kinder mit Respekt und Liebe behandelt wurden«, sagte er.
    »Jämmerlinge! Alle miteinander!«
    Óðinn wusste nicht, ob sie ihn und seine Kollegen oder die Jungen in Krókur meinte. Egal. Das war die Stimme des einsamen Rufers in der Wüste, denn die Frau war die Einzige, die die damalige Arbeitsweise der Heimleitung und der Behörden verteidigen konnte. Deshalb sollte sie sich ruhig aufregen, solange sie seine Fragen beantwortete.
    »Ich möchte mit Ihnen ein paar Fragen über Krókur klären. Mir ist klar, dass Veigar nicht mehr für sich sprechen kann, und wir wissen noch nicht, wen wir von den damaligen Mitarbeitern erreichen können. Ich habe ein paar Namen ausfindig gemacht, aber die wenigsten scheinen noch am Leben zu sein, die meisten müssen etwas älter gewesen sein als Sie und Ihr Mann.«
    In dem Karton aus Róbertas Garage war er unter anderem auf eine Gehaltsübersicht gestoßen. Die Mitarbeiterliste war sehr kurz, und Óðinn vermutete, dass einige Personen darauf fehlten. Durch einen Anruf bei der Meldebehörde hatte er herausgefunden, wer von den Genannten noch lebte, es waren nur drei.
    »Ich vermute allerdings, dass auf meiner Liste einige Personen fehlen. Wie viele Mitarbeiter hatten Sie in diesen vier Jahren?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Es gab ständig Wechsel.«
    »Zehn? Zwanzig? Dreißig?«, insistierte er.
    Auf der Liste hatten zwölf Namen gestanden. Die Frau hob mühsam den Kopf und zählte, vor sich hin murmelnd, an ihren Fingern ab. Dann legte sie die Hände wieder auf die Lehnen ihres Rollstuhls und schaute Óðinn selbstgefällig an.
    »Ungefähr fünfzehn. Ich habe ein gutes Gedächtnis, sage ich Ihnen, auch wenn ich die Namen schon mal durcheinanderbringe«, sagte sie und tippte sich mit ihrem Zeigefinger mit den geschwollenen Gelenken und dem vergilbten Fingernagel gegen die faltige Stirn.
    »Können Sie mir vielleicht sagen, wer fehlt, wenn ich Ihnen die Namen vorlese, die ich habe?«
    »Wie soll ich Ihnen das denn vorher sagen, Sie Dussel? Lesen Sie die Namen doch erst mal vor!«
    Óðinn fing zähneknirschend an zu lesen. Die Frau legte den Kopf schief, wobei ihr Unterkiefer immer weiter nach unten sank, bis ihr Mund offen stand, als wolle sie etwas sagen, sei aber dabei erstarrt. Sie schloss die Augen und nickte bei jedem Namen. Erst als Óðinn fertig war, sagte sie:
    »Ich weiß nicht, ob jemand fehlt, aber mir scheint, als hätte ich einige Namen noch nie gehört. Sind Sie sicher, dass die alle in Krókur gearbeitet haben?«
    Óðinn erklärte ihr, dass er das nicht wisse und nur diese Informationen habe.
    »Da fehlen welche.« Die Furchen im Gesicht der Alten vertieften sich. »Das Weibsbild.«
    »Das

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