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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Bruders Baldur. Es klingelte lange, und während Óðinn wartete, stand er geduldig am Wohnzimmerfenster und blickte hinaus auf die kahle Landschaft.
    Als Baldur antwortete, drang ohrenbetäubender Lärm aus dem Hörer, und ein kreischender Heulton machte ein Gespräch fast unmöglich.
    »Was willst du? Ich bin gerade beschäftigt.«
    »Ich mache es kurz. Dísa aus dem Erdgeschoss hat Geräusche im Haus gehört. Sie hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du in der letzten Zeit Handwerker beauftragt hast.«
    Baldur lachte.
    »Nein, mein Junge. Wir schlagen uns gerade mit der Fertigstellung eines Lagergebäudes rum, das ist die reinste Katastrophe! Wenn einer meiner Männer bei euch gewesen wäre, anstatt hier mit anzupacken, würde ich ihn auf der Stelle feuern.«
    »Verstehe. Vielleicht ein Immobilienmakler, der Wohnungsbesichtigungen durchgeführt hat?«
    »Nein, wohl kaum. Die haben keinen Schlüssel für das Haus.«
    Das Hochfrequenzheulen wurde noch lauter, und Óðinn musste für einen Moment den Hörer von seinem Ohr weghalten.
    »Mann, was ist das für ein verdammter Lärm? Wirst du nicht bald taub?«, schrie er. Mehr fiel ihm nicht zu dem Thema ein, und er wollte seinen Bruder nicht weiter mit der Sache belästigen. Baldur, der ihn von allem Menschen am besten kannte, sollte nicht merken, wie beunruhigt er war. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte Dísas Aussage ihn nicht weiter beschäftigt, aber er wollte auf keinen Fall mit Baldur über Burnout und Besuche beim Psychologen reden.
    »Was?«
    »Wirst du nicht bald taub?«, brüllte Óðinn.
    »Bleib mal locker, das war ein Witz«, entgegnete Baldur, rief jemandem eine Anweisung zu und sprach dann weiter. »Ich muss weitermachen, aber hör mal, willst du nicht mit Rún am Freitag zu uns zum Essen kommen? Ich weiß, dass sich Sigga sehr freuen würde, sie ist mal wieder ein bisschen sauer auf mich, weil ich mich so selten zu Hause blicken lasse. Vielleicht möchte Rún ja am Wochenende bei uns übernachten? Dann hätte Sigga wenigstens Gesellschaft, falls ich noch mal kurz zur Arbeit muss. Der Kleinen tut es bestimmt gut, ab und zu Umgang mit Frauen zu haben. Dann können die beiden ins Shoppingcenter fahren oder irgendeinen Mädelskram machen.«
    Óðinn musste grinsen. Rún interessierte sich nicht besonders fürs Shoppen, aber vielleicht fand sie es spannender, wenn jemand anders dabei war als er.
    »Klingt gut. Das machen wir.«
    Sie verabschiedeten sich, und Óðinn legte auf. Er starrte weiter aus dem Fenster, denn immerhin konnte man den Wind nicht jeden Tag buchstäblich sehen. Der Schnee wirbelte im Sturm, kleidete ihn in einen weißen Mantel, der diesen verborgenen Teufel sichtbar machte. Zwischen den Sturmböen konnte Óðinn die Landschaft in der Ferne erkennen, dann verschwand sie sofort wieder im Schnee und wurde zu einem weißen Wirrwarr.
    Óðinn musste an die beiden Jungen im Heim denken, die vor all den Jahren bei ähnlichem Wetter im Auto gestorben waren. Warum waren sie nicht ausgestiegen, als sie gemerkt hatten, dass die Luft von Kohlendioxid und Abgasen verseucht war? Vielleicht war das Wetter so schlecht gewesen, dass sie lieber im Warmen geblieben waren, trotz der stickigen Luft, vielleicht waren sie sich der Gefahr auch überhaupt nicht bewusst gewesen. Óðinn hatte die Zeitungsarchive durchforstet und nichts anderes gefunden als die anfänglichen Meldungen über den Unfall. An die Ermittlungsunterlagen war er auch nicht herangekommen, wahrscheinlich waren sie längst vernichtet worden oder verlorengegangen. Tobbis Eltern waren tot, ebenso wie Einars Mutter. Óðinn hatte gar nicht erst versucht, seinen Vater ausfindig zu machen, denn der war amerikanischer Soldat gewesen und hatte sich nach seiner Stationierung in Island in seine Heimat verdrückt.
    Óðinn wusste nur, dass es gefährlich war, in einem Auto mit verstopftem Auspuff zu sitzen. Bei seinen Recherchen war er auf einen tragischen Artikel über ein kanadisches Kleinkind gestoßen. Ahnungslos ob der Gefahr dichten Schnees am Auspuffrohr hatte der Vater den Motor angelassen, damit das Kind im Kindersitz nicht fror, während er den Wagen freischaufelte. Als er einstieg, war das Kind tot. Zudem hatte Óðinn eine Beschreibung darüber gefunden, dass die Erstickenden in manchen Fällen erst träge und entspannt wurden, geradezu glücklich, bevor sie Krämpfe bekamen und das Bewusstsein verloren. Vielleicht waren die Jungen ja glücklich gestorben.
    Der Fernseher wurde lauter,

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