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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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wieder ging, weil er ihn nicht verstehen konnte.
    »O doch, ich bin um kurz vor acht nach Hause gekrochen«, sagte der Mann, winkte dem Barkeeper und bestellte Bier. Óðinn vermutete, dass er damals in seinem Zustand kein Taxi bekommen hatte, und war der Meinung, selbst viel früher nach Hause gekommen zu sein. »Bist du echt noch bei deiner Exfrau vorbeigegangen? Wie ist es denn gelaufen?«
    »Gelaufen?« Óðinn schaute ihn verwundert an. »Ich bin einfach nach Hause gegangen.«
    »Zum Glück. Du hättest nämlich ganz schön was zu hören bekommen, wenn du bei ihr vorbeigegangen wärst. Mann, die wäre total ausgerastet!«
    »Bei ihr vorbeigegangen? Wovon sprichst du eigentlich?«
    Die Leute kamen von der Tanzfläche zurück, und das Gedränge vor der Theke nahm wieder zu. Óðinn musste aufpassen, sein Glas nicht über den Mann zu verschütten, weil es so voll war.
    »Von deiner Exfrau. Wie heißt sie noch mal?«
    »Lára«, antwortete Óðinn und korrigierte das Präsens in der Aussage des Mannes nicht, weil er ihm nicht sagen wollte, dass sie am selben Morgen gestorben war. Zumal er anscheinend über sie hergezogen hatte, wahrscheinlich grundlos.
    »Ja, genau, Lára«, entgegnete der Mann, und ein Drittel seines Biers schwappte dabei über Óðinns Schuh. Er schien es nicht zu bemerken und sprach einfach weiter. »Du wolltest unbedingt, dass ich mitkomme, du meintest, sie wäre derselben Meinung wie du und würde mir auch raten, lieber nicht zu heiraten. Weißt du das nicht mehr?«
    Óðinn nickte, obwohl er sich überhaupt nicht daran erinnern konnte.
    »Und? Bist du zu ihr?«
    »Nein.«
    »Ein Glück, Mann. Ich war mir total sicher, dass du ihr einen Besuch abstatten würdest. Dann hättest du ja doch mit mir fahren können.«
    »Mit dir fahren?«, echote Óðinn.
    »Ja, ich hab dir doch angeboten, dass wir uns ein Taxi teilen. Weil ich solchen Schiss hatte, unterwegs einzupennen. Verdammt, war ich besoffen, Mann. Und du auch. O Mann. Du warst so was von abgefüllt.«
    »Bist du dir sicher, dass du um acht Uhr nach Hause gekommen bist?«, fragte Óðinn. Das konnte einfach nicht sein. Wenn dieser Mann um kurz vor acht vor ihm nach Hause gefahren war, dann war er selbst ungefähr zur gleichen Zeit oder sogar noch später gegangen. Das war doch nicht möglich! Óðinn hatte gedacht, er sei gegen sechs nach Hause gekommen. Aber dafür hatte er keinen Beweis. War er wirklich in der Innenstadt gewesen, als Lára gestorben war? Sogar in der Nachbarschaft? Plötzlich hörte er keine Musik mehr, sondern ein Echo von Sirenen, die mit irgendeiner Erinnerung zu tun hatten, die er nicht mehr zusammenbekam. Warum musste er unbedingt diesen Typen wiedertreffen? Die Überschaubarkeit der isländischen Gesellschaft war ja oft gemütlich, aber jetzt nicht.
    »Weißt du was? Ich stelle dich meiner Frau vor. Komm, sie ist da drüben irgendwo«, sagte der Mann, drehte sich um und spähte suchend über die Menge. Óðinn nutzte die Gelegenheit und schlüpfte durch das Getümmel Richtung Ausgang. Hinter ihm hörte er es rufen:
    »He, Junge! Komm mit! Du musst unbedingt Didda kennenlernen!«
    Aber er schaute sich nicht um. Er musste schnellstens nach Hause.

    Die Taxiquittung lag in der großen Salatschüssel, die Sigga und Baldur ihm zum Einzug geschenkt hatten. Noch war kein einziges Salatblatt darin gelandet, denn Óðinn bewahrte seine Kreditkartenabrechnungen darin auf. Er saß auf dem Sofa, überall Papierschnipsel um sich herum, zu betrunken, um die Sache systematisch anzugehen. Er hatte die Quittungen einzeln aus der Schüssel gerissen und einfach fallen lassen, wenn es nicht die richtigen waren. Die, nach der er gesucht hatte, verbarg sich auf dem Boden der Schüssel zwischen einem Haufen Notizzetteln, die er mit in die neue Wohnung genommen und nach dem Umzug in die Schüssel geworfen hatte. Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit, vor seinem Leben mit Rún.
    Óðinn lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Die schaute er lieber an als die Taxiquittung in seinem Schoß. Darauf stand, zu welcher Uhrzeit er in das Taxi gestiegen war und wohin er es bestellt hatte. Der Junggeselle hatte offenbar recht gehabt. Óðinn war kurz nach Láras Sturz ins Taxi gestiegen. Und das ausgerechnet in ihrer Straße, der Quittung nach sogar vor ihrem Haus.
    Ein leises Knarren drang aus dem Schlafzimmerflur, und Óðinn wusste, dass er erst dorthin gehen würde, wenn es hell wurde. Er meinte, einen schalen Zigarettengeruch

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