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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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wissen.
    Lange sagte niemand etwas, dann berührte Jebs Hand die meine. Ich griff danach, da ich allein nicht auf die Füße kam. Seine andere Hand legte sich auf meinen Rücken und ich ging weiter.
    »Vermutlich bin ich einfach bloß neugierig«, sagte Jeb leise.
    Niemand antwortete.
    Auf dem Weg machte ich mir die Fakten klar. Erstens war ich nicht die erste Seele, die sie gefangen genommen hatten. Darin hatten sie bereits Routine. Dieser »Doc« hatte bereits versucht, seine Antworten von anderen vor mir zu bekommen.
    Zweitens war er ohne Erfolg geblieben. Wenn irgendeine Seele auf den Selbstmord verzichtet hätte, um dann unter der menschlichen Folter zusammenzubrechen, würden sie mich jetzt nicht mehr brauchen. Sie wären gnädig gewesen und hätten mich schnell sterben lassen.
    Seltsamerweise konnte ich mich trotzdem nicht dazu durchringen, auf ein schnelles Ende zu hoffen oder es herbeizuführen. Dabei wäre das ganz einfach, ich müsste es nicht einmal selbst tun. Ich müsste sie bloß anlügen - vorgeben, eine Sucherin zu sein, ihnen sagen, dass meine Kollegen mir längst auf der Spur wären, toben und drohen. Oder ihnen die Wahrheit sagen - dass Melanie in mir weiterlebte und mich hierhergebracht hatte.
    Dahinter würden sie ebenfalls eine Lüge vermuten, und zwar eine so überaus unwiderstehliche - die Vorstellung, dass ein Mensch nach der Implantation weiterleben konnte, war aus ihrer Perspektive unglaublich tröstlich und daher so heimtückisch -, dass sie erst recht glauben würden, ich wäre eine Sucherin. Sie würden eine Falle wittern, mich schnell aus dem Weg räumen und sich ein neues Versteck weit weg von hier suchen.
    Wahrscheinlich hast du Recht, pflichtete Melanie mir bei. Zumindest würde ich es so machen.
    Aber noch verspürte ich keine Schmerzen und daher fiel es mir schwer, mich zum Selbstmord durchzuringen, in welcher Form auch immer; mein Überlebenstrieb versiegelte meine Lippen. Die Erinnerung an die letzte Sitzung bei meiner Helferin - in einer so zivilisierten Welt, dass sie auf einen anderen Planeten zu gehören schien - blitzte in meinem Kopf auf. Melanie, die mich aufforderte, sie sterben zu lassen, ein scheinbarer Selbstmordimpuls, aber das war nur Bluff gewesen. Ich erinnerte mich noch daran, dass ich gedacht hatte, wie schwierig es war, sich den Tod vorzustellen, wenn man in einem bequemen Sessel saß.
    Gestern Nacht hatten Melanie und ich uns den Tod herbeigewünscht, aber da war der Tod nur Zentimeter entfernt gewesen. Jetzt, wo ich wieder auf den Beinen war, war das etwas ganz anderes.
    Ich will auch nicht sterben, flüsterte Melanie. Aber vielleicht irrst du dich. Vielleicht ist das nicht der Grund, weshalb sie uns am Leben lassen. Ich kann nicht verstehen, warum sie ... . Sie wollte sich die Dinge, die sie uns antun konnten, nicht vorstellen, aber ich war mir sicher, dass ihr noch Schlimmeres einfallen würde als mir. Welche Antwort könnten sie so unbedingt von dir wollen?
    Das werde ich nie verraten. Dir nicht und auch sonst keinem Menschen.
    Eine mutige Aussage. Aber, wie gesagt, bisher verspürte ich keine Schmerzen …
    Eine weitere Stunde war vergangen - die Sonne stand jetzt direkt über uns und brannte wie eine Feuerkrone auf meinem Haar -, als sich das Geräusch veränderte. Die knirschenden Schritte vor mir, die ich kaum noch wahrnahm, begannen zu hallen. Jebs Füße gingen wie meine immer noch über Sand, aber irgendjemand vor uns hatte einen anderen Untergrund betreten.
    »Vorsichtig jetzt«, warnte Jeb mich. »Pass auf deinen Kopf auf.«
    Ich zögerte, unsicher, worauf genau ich aufpassen sollte oder wie, ohne etwas sehen zu können. Seine Hand verschwand von meinem Rücken und drückte meinen Kopf nach unten, damit ich mich bückte. Mein Nacken war ganz steif.
    Er führte mich weiter vorwärts und ich hörte, wie auch unsere Schritte jetzt ein hallendes Geräusch machten. Der Boden gab nicht nach wie der Sand und fühlte sich nicht lose an wie Steine. Er war eben und fest unter meinen Füßen.
    Die Sonne war verschwunden - ich spürte nicht mehr, wie sie meine Haut verbrannte oder mein Haar versengte.
    Ich ging noch einen Schritt weiter und die Luft auf meinem Gesicht fühlte sich plötzlich anders an. Was ich spürte, war keine Brise. Die Luft stand still - ich bewegte mich hinein. Der trockene Wüstenwind verschwand. Diese Luft hier war unbeweglich und kühler. Sie enthielt eine winzige Spur Feuchtigkeit, eine leichte Modrigkeit, die ich sowohl riechen als

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