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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Spruch, der mit seelenloser, eiskalter Logik die Konsequenz offenbarte, warum Mandy gar nicht anders gekonnt hatte, als Gayo genau das anzutun, was sie getan hatte. Das, was ihr »Meister«, der Drache, offenbar zu ihr gesagt hatte. Eine Logik, in der sich die Moral mit dem Selbsterhaltungstrieb einen bitteren Kampf lieferte, und in dem normalerweise der Selbsterhaltungstrieb siegte. Eine Logik, die so grausam war wie der Mann, der sie seinen Handlangern aufzwang.
    Claras Blick bewegte sich von einem blutigen Buchstaben zum anderen, während Mandys leerer schwarzer Mund wieder und wieder vor ihrem inneren Auge erschien.
    ENTWEDER DU MACHST ES MIT IHM.
ODER ICH MACHE ES MIT DIR.

22
    Der Lärm landender und startender Maschinen, die den nebligen Regenhimmel durchstießen, vermischte sich mit dem Rauschen des Regens.
    Clara und MacDeath eilten durch die engen Gänge des Flughafens Schönefeld, der Berlin, genau wie Tegel, noch lange Zeit erhalten blieb, da der geplante Großflughafen nicht fertig wurde und auch niemals fertig werden würde.
    Die Situation, mit der Clara und die anderen Ermittler sich konfrontiert sahen, war verworren. War es ein Kult? Waren es mehrere Einzeltäter? Gab es eine Konditionierung, wie MacDeath sie geschildert hatte? Waren Drogen im Spiel? Oder noch etwas anderes, das man nicht erklären konnte?
    Wenn man nicht mehr weiterwusste, musste man notfalls einen Umweg nehmen. Und dieser Umweg führte Clara und MacDeath in die Stadt, in die alle Wege führen. Nach Rom. Zu Don Alvaro de la Torrez. Denn so hieß der Exorzist, von dem MacDeath gesprochen und mit dem er – nach einem Telefonat mit Professor di Silva – kurzfristig ein Treffen vereinbart hatte.
    Aufgrund der Geschehnisse in der psychiatrischen Anstalt der Charité und der in aller Eile vorgenommenen Buchung hatten Clara und MacDeath nur noch zwei Plätze in einer Easyjet-Maschine ergattert, die direkt vom alten DDR-Flughafen Berlin-Schönefeld nach Rom Ciampino flog. Ein Einsatzbeamter vom LKA hatte beide zum Flughafen gefahren, während die Spurensicherung Mandys Zelle unter die Lupe nahm.
    MacDeath hatte sich das Handy ans Ohr geklemmt, telefonierte mit Prof. Marquard und machte dabei ein paar rasche Notizen in ein abgewetztes Büchlein, während Clara und er sich in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle im Schneckentempo voranbewegten.
    Plärrende Durchsagen quengelten in chaotischer Abfolge durch den verwinkelten Flughafen. Clara beobachtete mit müden Augen einen Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle, der mit beinahe perverser Gier in der Kulturtasche einer jungen Dame wühlte wie ein nekrophiler Psychopath in einer aufgeschnittenen Leiche.
    MacDeath beendete das Telefonat und wandte sich Clara zu. »Die Rechtsmedizin war eben vor Ort«, berichtete er. »Die Frau hat sich die Zunge tatsächlich selbst abgebissen, sagt von Weinstein.« Er steckte das Handy in die Tasche. »Es sind keine Druckspuren am Kiefer zu sehen, also keine externe Gewalteinwirkung, und neben den Worten, die sie mit ihrer blutigen Zunge an die Wand geschrieben hat, findet sich Speichel von ihr. Sie muss es also selbst gewesen sein. Alles andere hätte mich auch gewundert.«
    MacDeath schaute ernst nach draußen auf die neblige Startbahn. »Wenn jemand sie zu diesen abartigen Morden gezwungen hat, muss dieser jemand«, er wandte den Blick wieder Clara zu, »wie soll ich sagen … in ihrem Kopf gewesen sein.«
*
    Die Maschine aus Berlin-Schönefeld landete mit drei langen, flachen Hüpfern und blauem Rauch auf der Landebahn des Charterflughafens Roma Ciampino. Es war später Nachmittag.
    Clara und MacDeath hatten sich einen Leihwagen bestellt, mit dem sie die Via Appia Nova entlang in die Innenstadt fuhren, vorbei an Pappeln und Pinienwäldern.
    Während der Fahrt hörte Clara ihre Mailbox ab. Vier Nachrichten, drei davon unwichtig. Doch eine war von Hermann. Sie rief sofort zurück.
    »Wir haben das Schließfach gefunden«, sagte Hermann.
    »Was!« Clara verschlug es beinahe den Atem. »Und? Ein Stick?« Sie schaltete das Handy auf laut. MacDeath, der am Steuer saß, hörte aufmerksam zu.
    »Allerdings. Ein Stick mit dem Aufdruck ›Venturas‹.«
    »Venturas?«, fragte Clara. »Genauso wie vorher bei Gayo?«
    »Möglich. Der Modus Operandi ist ähnlich. Und auch dieser Stick ist voller pdf-Dateien und anderen Daten. Wir versuchen zurzeit, das Chaos zu sichten.«
    »Sagt uns Bescheid, sobald ihr was habt. Jederzeit. Und findet raus, wer Venturas

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