Seelenasche
und mit Geschmack. Abends gingen sie mit Gerganas kleiner Tochter spazieren. Sie sahen aus wie eine ganz normale Familie, und das genügte ihnen. Positiver Nebeneffekt war, dass die aufdringlichen Kerle Gergana nun in Ruhe lieÃen. Krum wiederum bereitete es Freude, mit Gerganas Tochter zu spielen, einem munteren Mädel, das gern eine Schnute zog und mit restlosem Vertrauen zu ihm kam, ihren langen blonden Zopf schüttelte, mit dem sie Rapunzel glich, und trotzig sagte: »Mama erlaubt es mir zwar nicht, aber wenn ich groà bin, heirate ich dich!«
Auf einmal begann das Kind zu husten. Es war ein trockener Husten, so schlimm, dass er die Lungen der Kleinen in Fetzen zu reiÃen schien, und es wurde immer akuter. Bald mündeten die Husten- in regelrechte Erstickungsanfälle. Die kleine Milena wurde erst blass, dann verflachte ihr Atem, stockte. Vor Sauerstoffmangel wurde ihr schwindlig, ein paarmal fiel sie in Ohnmacht. Sie gingen mit ihr zum Arzt in die Kinderklinik. Im Korridor hallte jedes Wort wider. An den Wänden hingen Bilder mit niedlichen Häschen, dem schlauen Fuchs und dem dummen Wolf. Der Doktor, ein Stotterer, wirkte gereizt und zerfahren. Er untersuchte Milena auf die Schnelle und diagnostizierte dann:
»Asthma! S-s-sie kö-kö-können Tests machen lassen, a-a-aber ich b-b-bin mir g-ganz sicher!«
Milena lächelte voll kindlichen Vertrauens, Gergana brach in Tränen aus, Krum bekam weiche Knie und musste sich auf die Liege setzen. Dann fragte er verwundert mehr sich selbst als den Arzt:
»Wie â Asthma? Sie ist doch gerade mal drei Jahre alt?«
Der Mediziner kratzte sich am Hinterkopf und zeigte wortlos auf den Fluss, Richtung rumänisches Ufer. Krum war der Geruch der chemischen Emissionen aus Giurgiu, der alle paar Tage Russe erreichte, natürlich auch nicht verborgen geblieben, und es war sogar vorgekommen, dass er beim Einkaufen oder wenn er angelnd am Ufer saÃ, schmerzende Lungenkrämpfe bekommen hatte mit anschlieÃenden Schwächezuständen; er hätte sich aber nicht träumen lassen, dass die Wirkung dieser beständigen Luftverpestung so durchdringend sein und so schlimme Folgen haben könne.
Gleich am nächsten Morgen ging er ins Bezirkskomitee. An der Pforte kannte man ihn schon, er war immerhin stellvertretender Parteisekretär der Landmaschinenfabrik, und betrat ungehindert das Büro des zweiten Parteisekretärs, der für Industrie zuständig war. Er erzählte ihm den Fall. Seine Worte waren voller Anklage, voll beklemmender Hilflosigkeit, aber auch drohend.
»Marijkin, Marijkin â wir schlagen uns mit diesem Problem schon seit mehr als einem Jahr herum. Hörst du eigentlich, was du da redest, Marijkin? WeiÃt du, wie oft wir den Genossen in Sofia schon berichtet haben?« Er rauchte nachdenklich und zeigte ängstlich auf das Porträt des lächelnden Mannes, das an der Wand hinter seinem Schreibtisch hing. »Tja, wie oft ⦠wie oft haben wir um ein Treffen mit den rumänischen Genossen gebeten. Aber die ⦠nichts! Stellen sich taub!«
»Verstehen Sie denn nicht? Das Kind ist gerade mal drei Jahre alt und hat schon Asthma«, schnitt ihm Krum zornig das Wort ab. »Wissen Sie was? Ich fahre selbst nach Sofia und gehe direkt ins ZK â¦Â«
»Schön, schön. Wenn wir hier nämlich, also wegen dieses Problems ⦠Wen du auch ansprichst, der verspricht dir alles Mögliche und dann â nichts! Ja, wenn du deinen Kopf in die Schlinge legen willst â¦Â« Er zeigte wieder eingeschüchtert auf das Porträt in seinem Rücken. Dem Mann war die Angst anzusehen und der Selbstekel vor der eigenen Kleinmütigkeit. »Marijkin, Marijkin, so auf Versammlungen das groÃe Wort führen und den Kompromisslosen spielen ist leicht, aber jetzt will ich dich mal sehen!«
5
Am nächsten Morgen saà Krum im Zug, am frühen Nachmittag kam er mitten in der gröÃten Hitze in Sofia an. Es roch nach verpichten Schwellen, nach geplatzten Wassermelonen und auf dem Grill vergessenen Hackfleischröllchen. Die Hitze legte wirklich alles und jeden lahm. Selbst die drei Zigeunerinnen, die hier die Taschen der Reisenden diskret, ohne ihre Besitzer zu beunruhigen, nach Brauchbarem untersuchten, waren durch die Hitze arg in ihrer Betriebsamkeit beeinträchtigt. Am meisten aber konnte man die Folgen der stehenden Hitze in den müden Gesichtern der Menschen
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