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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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nach dösender Stadt und Grillfleisch. Der Schweiß rann ihm in Strömen herab. Dieser bescheuerte Ventilator sowjetischer Produktion hatte schon vor langer Zeit den Geist aufgegeben, und wenn er sich vorstellte, dass es gleich zu Hause kein Wasser gab, weil der Leitungsdruck nicht ausreichte, um das kühlende Nass bis in die zwölfte Etage seiner Plattenbauwohnung zu pumpen … Die letzte Dusche hatte er vor einer Woche genommen. Ach ja, und sein Nachbar zur Rechten, der eine drittklassige Fußballmannschaft trainierte, hörte nicht auf, seiner Frau nachzustellen. Die tat so, als bemerke sie das nicht; aber es schmeichelte ihr sichtlich. Und nun auch noch dieser Marijkin hier! Der sah so unerschütterlich aus, dass eine kräftige Backpfeife den nur noch mehr anspitzen würde. Dann könnte der Typ nämlich sein weiteres Vorgehen damit rechtfertigen, dass er Opfer war, ein Opfer staatlicher Willkür, ein Held geradezu. Er nahm Krums Passierschein, unterschrieb ihn und sagte mit unverhülltem Widerwillen:
    Â»Nehmen Sie sich ein Hotel, Genosse Marijkin. Wir wollen doch nicht auf den Stufen zum Zentralkomitee übernachten, oder?«
    Â»Ich sagte ja: Ich übernachte bei meinem Onkel, Assen Weltschev, falls Sie von dem schon mal gehört haben …«
    Am nächsten Morgen wurde Krum zum zweiten Mal verhaftet. Diesmal saß er ganze vierundzwanzig Stunden in der Arrestzelle des Ersten Polizeireviers. Dort machte er die Bekanntschaft des Buchhalters einer Spielzeugfabrik, der die Posten auf der Lohnliste gefälscht hatte, eines Falschspielers, der unglaubliche Kartentricks kannte und dir zum Beispiel ohne Probleme die vier Asse aus dem von dir gemischten Kartenspiel herauszog, und eines Alkoholikers, den sie im Suff zusammengesackt und eingepennt an der Straßenbahnlinie Richtung Knjashevo aufgelesen hatten. Mit dem Gefühl, dass es nur so und nicht anders sein konnte, ließ sich Krum in der stickigen Hitze des vergitterten Raums mit dem großen Schloss nicht aus der Fassung bringen. Das Einzige, was ihn beunruhigte, war, dass er vielleicht zu spät kam, dass er in der stehenden Luft dieser Zelle den Genossen Paschov verpassen könnte, dessen Sitzung doch wohl langsam beendet sein müsste. Beim dritten Mal, als die Milizionäre – nun schon voller Hass – seine Ausweispapiere überprüften, verpassten sie ihm doch noch die verdiente Ohrfeige, als er den bekannten Streifenwagen bestieg, der diesmal nach Eier-Käse-Toast und Puddingteilchen roch. Sie ließen ihn dann aber schon am Slawejkov-Platz wieder laufen, denn eigentlich verletzte er weder Gesetze noch die Straßenverkehrsordnung. Er döste beim Warten still auf der Gehsteigkante am Parteigebäude auf einer ausgebreiteten Zeitung; diesmal war es die Sportseite der Flagge des Landwirts . Als am noch kühlen Morgen des vierten Tages die Diensthabenden an der Passierscheinstelle des ZK wechselten, und der Zivile ihn mit unverändert zufriedenem Gesichtsausdruck da auf den unbequemen Gehwegplatten sitzen sah, ungerührt wie ein Denkmal, fiel ihm der Zahnstocher aus dem Mund, und seine Wangen liefen rot an, und zwar purpurrot wie die Macht im alten Ägypten, mit dem feinen Unterschied, dass hier eine Nuance von gekränktem Machtstolz mit hineinspielte.
    Â»Na hör mal, jetzt aber … Verstehst du eigentlich nicht, du Schwachkopf?« Ihm blieb die Luft weg vor Entrüstung, er erstickte an seinem eigenen Zorn. »Ich … ich werd’ dir … ich werd’ dir so was von …«
    Der kahlköpfige Major aber hatte entweder mehr Grips oder mehr Gottesfurcht, denn er setzte seine Dienstmütze ab, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn ab. Anschließend telefonierte er mit jemandem. Schließlich spähte er hinaus, erblickte Krum dabei, wie er vor dem aus massivem Naturstein gemauerten, bollwerkartigen Klotz des Parteigebäudes sein Mohnhörnchen aufaß, als sei es dasselbe wie vor zweiundsiebzig Stunden und er gerade eben damit fertig, und lud ihn mit geradezu affektierter Freundlichkeit und fehlender Logik ein:
    Â»Bitte sehr, Genosse Marijkin, die Sitzung des Genossen Paschov ist beendet. Sein Stellvertreter, der Genosse Nikoltschin, kann Sie jetzt empfangen.«
    Das Büro des Genossen Nikoltschin ging auf die Platzseite mit den glatten gelben Pflastersteinen. Links das Dimitrov-Mausoleum und der Stadtpark, direkt gegenüber der

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