Seelenasche
Lächeln und jener leichtlebigen Ausstrahlung, die es wissen wollte. Ihr Ehemann war ein Karrieretyp, der als Distributionsmanager im Werk für Elektrofahrzeuge arbeitete. Um sich von der erdrückenden Gegenwart seiner ständig Ansprüche stellenden Frau zu befreien, hatte er ihr einen Kleinwagen gekauft. Theodora Stojanova war geradezu beängstigend intelligent, krankhaft ehrgeizig und wollte um jeden Preis Dozentin am Lehrstuhl werden. Sie war groÃgewachsen, extrem schlank, hatte dünne Beine, aber riesige Brüste. Sie scharwenzelte um Alexander herum, machte ihm mal zwei, mal â wenn sie sich vorbeugte â vier schöne Augen, kurz, zeigte ihm auf jede nur erdenkliche Weise, dass sie sich auch etwas mehr Nähe vorstellen konnte. Alexander aber fürchtete ihre Zielstrebigkeit nicht minder als ihre katzenhafte Verwöhntheit; denn diese eigensinigen und berechnenden Vierbeiner entwickelten Anhänglichkeit nur zum Heim und dem, was es bot, niemals aber zum Hausherrn.
»Teuerste Theodora«, liebte er ihr mit gespielter Betrübtheit zu sagen, »Sie sind ja jünger als mein Sohn Christo, könnten meine jüngste Tochter sein.«
In dieser offensichtlichen Tatsache lag etwas vielversprechend Obszönes, ein heimlicher Selbstgenuss als vulgärer Lüstling. Theodoras »RanschmeiÃe« wurde vollends unerträglich, als Alexander zum Mitglied der Lehrkörper-Berufungskommission ernannt wurde, denn jetzt war sie gleich doppelt abhängig von seiner Fürsprache. An einem regnerischen Novembertag 1988, ein Jahr vor der Wende, schlug sie ihm vor, gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen. Sie verfrachtete ihn in ihren kleinen Fiat und fuhr mit ihm durch den Geruch nach feucht gewordenem Kohle-Hausbrand hinauf zur Gebirgsstation »Schtastliveza«, was ihn wohl veranlassen sollte, sich als »Glückspilz« zu fühlen. Im Gebirge herrschte eine gesegnete Ruhe; hier oben fiel ein weicher, lockiger Schnee. Im Restaurant des modischen Ausflugshotels tranken sie statt des Kaffees drei groÃe Whisky, anschlieÃend lotste sie ihn mit der Ruhe der Erfahrenen â es war wohl nicht ihr erstes Mal â in ein Zimmer, das sie bereits reserviert gehabt hatte. Durch das Fenster drang das Abendrot in all seiner Erhabenheit.
Sie liebten sich mit übertriebener Leidenschaft, und sie gab sich ihm ebenso übertrieben leidenschaftlich hin, mit einem Feuer, zu dem wohl nur frigide Frauen oder echte Nymphomaninnen fähig sind. Einige Monate später hörte Alexander zufällig ein Telefonat Theodoras mit ihrer Freundin, bei dem sie über ihn sagte: »Ich kann ihn nicht ertragen mit seiner trockenen Altmännerhaut, seinem Altmännergeruch nach Baldrian und Kampfer. Im Bett denke ich immer, ich betreibe Leichenschändung. Der totale Horror!«
In der Tat nahm Alexander regelmäÃig Tropfen, die aus Baldrian, WeiÃdorn und Minze gemischt waren und das Herz stärkten, die Nerven beruhigten und so zu langem Leben führen sollten. Die nahm er natürlich auch vor jedem intimen Treffen mit Theodora, denn er befürchtete, eines Tages könnte er in ihren erfahrenen, verlogen feurigen Umarmungen einen Herzinfarkt erleiden. Was den Kampfergeruch anging, so rieb seine Frau sein rechtes Bein mit schmerzlinderndem Kampferspiritus ein, seit er diese Gelenkschmerzen bekommen hatte. Die beleidigenden Kommentare Theodoras kränkten ihn nicht nur nicht, sie erfüllten ihn vielmehr mit besonderer Befriedigung und einer unerklärlichen Lüsternheit. Er begann, nun extra mit den Tropfen und dem Kampferspiritus zu übertreiben, und ihr Abscheu, den sie mit übertriebener Leidenschaft zu überdecken versuchte, erregte ihn und verlieh den Prüfungen Sinn, die ihr Lotterbett für ihn bereithielt.
So also war Alexander Weltschev, ohne selbst den Finger zu rühren, an eine schuldige Ehefrau, eine junge, schöne und obszöne Geliebte und an eine Machtposition von beneidenswertem öffentlichen Rang gekommen, kurz, an jene Mischung aus Sicherheit und Wohlleben, die seine späten Lebensjahre zieren und wattieren sollte. Trotz alledem wusste er natürlich längst, dass er keinerlei herausragende Gaben besaÃ, wenn man von seiner ständigen Unentschlossenheit einmal absah.
Nun aber wurde dieser Status quo gesprengt, wenigstens scheinbar. Der hauptsächlich als Phantom in den Köpfen der Leute herumgeisternde Traum von
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