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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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schlug in Freude um. Die Stunde der Vergeltung nahte mit Siebenmeilenstiefeln, und sie würde umso heftiger und brutaler ausfallen, je unverschämter sich dieser sein angeblich so schüchterner alter Schulkamerad weiterhin gebärdete.
    Â»Es versteht sich natürlich von selbst«, beeilte sich Krum, der die Stiefel nahen hörte, »dass in der heutigen Zeit Dienstleistungen honoriert werden. Ich biete Ihnen zehn Prozent!«
    Dem Herrn Tscholev fiel die Kinnlade herunter. Ihm blieb die Luft weg. Er starrte Krum mit leerem Blick an. Da begann ihm langsam in den Weiten seines Quadratschädels ein Lichtlein aufzugehen. Er konnte also einfach so, ohne besondere Anstrengung, einhundertfünfzigtausend Euro einstreichen, und das, ohne irgendein Gesetz übertreten oder umgehen zu müssen, und das hatte bei ihm wirklich Seltenheitswert.
    Â»Wie bist du nur auf die Schnapsidee gekommen, diese Ruine da zu versichern?«
    Â»Na, nicht beim Schnaps«, entgegnete Krum schon munterer. »War auf einem Spaziergang durch den Uferpark. Vielleicht hab ich zu viel aufs Wasser geschaut, oder der Himmel überm Fluss war so feuerrot. Jedenfalls dachte ich plötzlich: Und was ist, wenn die Fabrik meines Großvaters abbrennt? Da hab ich mich ja doch erschrocken.«
    Â»Scheiß auf deinen Opa und seine Fabrik«, entfuhr es Tscholev, der nun begann, sich vor lauter Nachdenken am Hinterkopf zu kratzen. »Im Grunde haste recht, was sollen wir uns das Leben unnötig schwermachen?«
    Â»Das hab ich mir auch gesagt«, meldete sich Krum im naiven Ton, und griff unbekümmert nach der Whiskyflasche, um sich in ein sauberes Glas einzugießen. »Statt dich in Unkosten zu stürzen und jemanden auf mich anzusetzen, der mich aus dem Weg räumt, ist es doch besser, du verdienst dir ein Taschengeld dazu.«
    Â»Dreißig Prozent«, sagte Tscholev mit gefurchter Stirn, hinter der es offenkundig eifrig rechnete, »und wir sind im Geschäft.«
    Â»Dreißig Prozent – einverstanden, Herr Tscholev«, stimmte Krum zu und setzte das erleichterte Lächeln eines auf, der gerade eine Zahnwurzelbehandlung hinter sich hat.
    Gleichzeitig standen sie auf, um den Handel per Handschlag zu besiegeln. Die Hand des alten Ruderers Tscholev war trocken und stark wie ein Schraubstock.
    Â»Nenn mich Pavka, lieber Freund. Sind doch alte Schulkameraden, ha?«
    Â»Bis zur Mittelstufe waren wir sogar Freunde.«
    Â»Ich hab aber eine Bedingung, guter Freund. Sobald wir das Geld hier cash auf der Kralle haben, hörst du, verkaufst du die Bruchbude, in der du haust, schnappst dir deinen Krempel und machst, dass du Land gewinnst. Und dass ich dich nie wieder durch Widin spazieren sehe – nie! Haben wir uns verstanden, lieber Freund?«
    Tscholev dachte einen Augenblick darüber nach, wie er seiner Aufforderung Nachdruck verleihen sollte. Dann spuckte er auf den Teppich, holte kurz und kantig aus und knallte Krum eine hinter den Latz, die sich gewaschen hatte. Krum tat es fast gar nicht weh. Na also, dachte er, die Sache ist geritzt.
26
    Christo saß in seinem häuslichen Arbeitszimmer vor dem Computer und biss sich auf die Lippen. Da war sie wieder, die anbrandende Flut der Worte, diese mit nichts zu vergleichende Euphorie innerer Fülle, die ihn unsagbar glücklich machte, aber auch erschreckte. Etwas hinderte ihn heute daran, in den Rhythmus der Sätze einzuschwingen, die ihm gleichsam von oben diktiert wurden, aus einer schöneren, bedeutungsvolleren Welt. Er sah auf. Unfreundliches, bleiernes Licht. Er horchte. Die in den vier Ecken seines Grundstückes angeleinten, riesigen Hütehunde bellten wie am Spieß, rissen an ihren Ketten, als müssten sie zusehen, wie vor ihnen jagdbares Wild ums Haus, über den akkurat geschnittenen Rasen stolzierte. Sie waren außer Rand und Band, weil sie von der ganzen möglichen Mannigfaltigkeit eines freien Hundelebens nur die Kette kannten, den Hunger und den entsprechenden Hass. Doch ihr wutschäumendes Gebell ging allmählich in Heulen über, das Heulen in Wimmern, dann verstummte auch dieses. Christo konzentrierte sich auf den leeren Bildschirm vor sich, und die Worte ergossen sich seltsam wie immer, unaufgefordert, berauschend.
    Â 
    Die späte Sonne besah sich in der Brunnentränke, die Fledermäuse zurrten die Dämmerung zusammen mit den unsichtbaren Fäden ihres Flugs, ein ferner Hornstoß verkündete

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