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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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weiß«, wiederholte Dessislava wie ein Automat.
    Â»Und die kleine Jona erst! Immer wenn du sie auf den Arm nimmst, pinkelt sie, so gern hat sie dich.«
    Â»O ja, sie wäre die Tante meines kleinen Assen geworden.« Die Stimme der reglos Daliegenden war so gleichmäßig und ruhig, dass Jordan ganz anders wurde. »Eine Tante, die sich ins Höschen macht … lustig, nicht?«
    Dida brach in Tränen aus. Im gleißenden, gleichmäßigen, leblos-trockenen Licht knisterten ihre Haare, als fingen sie gleich Feuer.
    Â»Sagt Papa nichts«, sagte Dessislava leise und weise vorausschauend.
    Â»Natürlich nicht, Liebe!«
    Â»Und jetzt lasst mich bitte allein, der kleine Assen ruft mich. Er weint die ganze Zeit, wartet noch immer auf die zwei Stückchen Schokolade, die ich ihm versprochen hab … Und kalt ist ihm dort!«
    Da wurde die Tür aufgerissen und eine resolute Schwester, die nach Jodlösung und Gemüseeintopf roch, nörgelte:
    Â»Wer seid ihr denn, dass man euch hier reingelassen hat, he?«
    Als hätte sie die Krankenschwester gar nicht bemerkt, sagte Dida:
    Â»Halt dich tapfer, Dess. Wir sind bei dir, Dess, hörst du?«
34
    Sie hatten das Krankenhaus noch nicht verlassen, als Jordans Handy klingelte. Auf dem Display sah er Toschevs Nummer, darum wagte er nicht, das Gespräch abzulehnen.
    Â»Ich habe die Nachrichten auf Alphavision gesehen, Herr Weltschev.« Die Stimme seines Chefs klang schroff, machtbewusst und geradlinig, ohne jedes Gefühl. »Ich kann es noch gar nicht glauben!«
    Â»Ich ebenso wenig, Herr Toschev.«
    Â»Das ist ja eine ganz unerklärliche Geschichte. Ihr verehrter Herr Cousin war ein so anständiger und korrekter Geschäftsmann; er hatte keinerlei Feinde. Mein aufrichtiges Beileid.«
    Â»Danke Ihnen.«
    Draußen ging ein feiner Landregen nieder. Dida rannte vor zum Auto und barg sich darin.
    Â»Ich möchte Sie bitten, morgen …« Ach was, bitten! Toschev wollte es nun auch wieder nicht übertreiben mit der Liebenswürdigkeit. Derlei hatte er nicht nötig. »Ich weiß, dass es Ihnen jetzt nicht leichtfällt, aber wir müssen uns morgen treffen. Um fünf.«
    Â»Aber morgen ist Sonntag!«
    Â»Darum werden wir uns ja auch bei mir zu Hause treffen, in Bojana. Notieren Sie sich bitte meine Adresse?« Jordan schrieb sie sich in sein Notizbuch. »Und bringen Sie doch Ihre werte Frau Gemahlin mit. Die Fragen, die wir zu besprechen haben, betreffen Sie beide.«
    Als er sich ins Auto setzte, schlang Dida ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Ihr ganzes Wesen, ihre Wärme, schien auf ein Knäuel zusammengeschnurrt.
    Â»Weißt du, mein Liebster«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »wir haben Christo ganz vergessen.«
35
    Der »Butler« geleitete sie in die Bibliotheksecke des riesigen Wohnzimmers und bat sie mit einer Verbeugung, dort zu warten. Der Raum war höchst modern eingerichtet. Doch worauf der Blick auch fiel: Es stieß sie ab durch seine demonstrative Kostspieligkeit. Ihnen gegenüber flackerte Feuer im offenen Kamin. Das und die wundervollen Gemälde an den Wänden waren das einzig Lebendige in dieser »teuren Sterilität«, wie Jordan das für sich auf den Begriff brachte. Er schaute Dida mit ironisch gehobenen Augenbrauen an. Sie lächelte ihm bestätigend zu.
    Eine alte Hauswirtschafterin mit langem schwarzem Rock und Bluse mit Spitzenkragen schob ein Servierwägelchen mit Tee herein, goss ihnen ein und verschwand im unbeleuchteten Ende des weitläufigen Zimmers. Sie warteten vielleicht nicht mehr als zehn, fünfzehn Minuten, waren aber bald schrecklich nervös. Dann endlich tauchte aus den Tiefen seines Palastes ganz plötzlich Eduard Toschev auf. Er trug eine schwarze Hausjacke und eine graue Kaschmirhose; sein Schädel war frisch rasiert und schimmerte kupfern. Seine Augen richteten sich sofort wachsam, hart und mit verächtlich wirkender Aufdringlichkeit auf Jordan, den ein kalter Schauer durchlief. Unter dem Arm trug Toschev eine Ledermappe, die er nachlässig auf die Kristallglasplatte des Wohnzimmertischchens warf.
    Â»Danke, dass Sie meiner Bitte entsprochen haben«, sagte er statt einer Begrüßung, nahm sich eine Scheibe Zitrone, drückte sie mit der kleinen Presse in seinem Tee aus und rührte um. »Ich will Ihre Zeit nicht über Gebühr strapazieren, fasse mich daher

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