Seelenasche
schwer von ihrem Arm herab, ihr Gesicht errötete mädchenhaft.
»Aber ⦠heute ist doch Donnerstag!«, erwiderte sie verwirrt.
»Donnerstag, ja.«
»Du hast mich also erwischt.«
»Ganz im Gegenteil, du mich. Hab dir Kaffee gemacht. Biskuits und Pralinen sind auch da.«
»Hast du auch an eine Puppe zum Spielen gedacht?«
»Oje, habe also doch etwas vergessen«, lächelte er.
Der Kater rieb sich sanft an Nedas Veloursstiefeln.
»Ich kann nur leider in deiner Gegenwart nicht arbeiten«, sagte Neda, als wundere sie das selbst.
»Wieso das denn?«
»Es ist einfach anders, wenn du nicht da bist. Es ist immer anders, wenn jemand nicht da ist!«
»Verstehe ⦠Wenn du willst, gehe ich solange spazieren.«
»Das macht keinen Sinn«, warf sie verunsichert ein, »ich weià trotzdem, dass du hier bist. Du wechselst gewissermaÃen nur die StraÃenseite. Andersrum ist es besser: War ein schönes Gefühl zu wissen, dass du am allermeisten brauchst, dass jemand da ist, während du unterwegs bist. Tja, was machen wir jetzt?«
Neda sah zutiefst ratlos aus. Sie streifte ihren grünen Pelz ab, darunter kam ein dünner, fast sommerlicher Rock mit Rissen zum Vorschein, wie es gerade Mode war, und ein Angorapullover. Einen Moment lang kam es Assen so vor, dass es zwischen der Anschmiegsamkeit des Katers und den sich eng an ihre Figur anschmiegenden Kleidern eine geheime Verbindung gab, sodass es ihn nicht gewundert hätte, wenn der Pullover zu miauen oder zu schnurren begonnen hätte. Grazil und klein, glich Neda einer Schülerin. Assen konnte nicht aufhören, sich zu wundern, dass dieses fast durchsichtig wirkende Wesen vor ihm eine zehnjährige Tochter hatte. Die dezente Schamröte wich langsam von ihren Wangen und die übliche Blässe erschien wieder auf ihrem Gesicht. Neda war schön und aristokratisch, dachte er, aber ihre Verletzbarkeit jagte ihm jedes Mal Furcht ein. Ohne zu wissen, hatte Assen Angst um diese junge Frau, die jeden Donnerstag kam, um ihm seine Alterseinsamkeit etwas erträglicher zu machen.
»Wir können uns auch unterhalten.«
»Aber natürlich«, freute sie sich. »Was macht dein Buch?«
»Ich würde mich lieber über Jordan unterhalten.«
Ihre Augen erloschen sofort. Sie schien sich innerlich zu entfernen. Sah sich um, als wolle sie aus dem Haus laufen, fände aber den Ausgang nicht â und hielt sich an der Kaffeetasse fest. Aus ihrer Damenhandtasche zog sie ein Päckchen starker Zigaretten.
»Er war vor ein paar Tagen bei mir. Er war overdressed, sah aus wie eine Vogelscheuche.«
»Das macht er nicht extra. Jordan hat es auch nicht leicht«, sagte sie bestimmt. »Hier, ich hab dir Milch und ein Glas Honig mitgebracht.«
»Dein Mann ⦠Was ist denn da so schwer für Jordan?«
Neda wollte ihn nicht beleidigen.
»Dein Sohn â¦Â« Sie versank in einer Rauchwolke und dachte lange und intensiv über das richtige Wort nach. »Dein Sohn wird ausspioniert .«
Assen spürte, dass Neda groÃen Wert auf diese Bezeichnung legte, und versuchte, deren Tragweite zu begreifen.
»Ich bin drei Jahre lang ausspioniert worden«, sagte er ruhig. »Ich musste immer so tun, als sei ich jemand anderes, weil ich verfolgt wurde. Ich habe Attentate verübt. Ich hatte ein gutes Auge, gute Nerven und den festen Glauben, diese Morde zum Wohle der Menschen zu begehen. Die Polizei fahndete nach mir, um mich zu beseitigen.«
»Ganz genau«, unterbrach Neda ihn, »wenn der Mensch nicht erkannt werden will, hört er auf, sich selbst zu gleichen, und wird ein anderer. Wie soll ich mich ausdrücken ⦠Jordan betreibt Camouflage.«
»Aber ihn verfolgt doch keiner; er ist doch nicht in Gefahr.«
»Jordan ist schrecklich machtbesessen und will kommandieren, macht sich aber nicht bewusst, dass Machtausübung immer auch Gewaltausübung ist«, seufzte sie. »Er ist so berühmt und hat so viele Machtbefugnisse, dass er nicht mehr sich selbst gehört, sondern allen. Ich weià nicht, wie ich ihm helfen, ihn in die Wirklichkeit zurückholen soll.«
Neda steckte sich die nächste Zigarette an und schenkte mit fragilen Fingern Kaffee in die Porzellantassen nach.
»Vielleicht solltest du es mit mehr Beharrlichkeit und Liebe versuchen?«
»O nein, die Liebe steht ihm bis hier ⦠Halb Bulgarien ist doch in
Weitere Kostenlose Bücher