Seelenbrand (German Edition)
ausbreitete. Ob das von ihrem warmen Atem oder der unheimlichen Geschichte kam, konnte er nicht sagen.
»Und was war mit den ganzen Reichtümern, mit ihren Schätzen ?« fügte er mit dramatischem Ton hinzu und hob vielsagend die Augenbrauen. »Hat dieser Philipp eigentlich nun alles in seine Taschen gesteckt ... bevor er letzten Endes vom Pferd gefallen ist?«
»Nein! Wahrscheinlich hatten die Templer von der bevorstehenden Vernichtung ihres Ordens Wind bekommen und alles rechtzeitig weggeschafft.«
Pierre grinste sie an. »Wobei wir mal wieder bei Stevensons Schatzinsel wären.«
»Warum?« wehrte sich Marie, als sie sich den immer steiler werdenden Weg hinaufquälten. »Du hast mir doch selbst erzählt, daß du dieses Buch genauso verschlungen hast, wie ich.«
»Aber mit einem kleinen Unterschied!« Er hob belehrend seinen Zeigefinger. »Ich glaube nicht an solche Dinge! Ganz im Unterschied zu dir!«
»Unerhört!« Marie blieb stehen, um zu verschnaufen und wischte sich wenig damenhaft mit dem Ärmel die kleinen Schweißperlen von der Stirn – aber genau das machte sie ja so interessant.
Sie setzten sich wieder in Bewegung.
»Nein, nein, ich weiß schon, wovon ich spreche. Ich glaube sogar ...«, jetzt hob sie belehrend ihren Zeigefinger, »... daß die Möglichkeit besteht, daß die Templer ihren Schatz, vielleicht sogar den Heiligen Gral ...«
»Auch das noch!« fiel ihr Pierre ins Wort. »Das wird ja immer toller! Jetzt sind wir schon beim Heiligen Gral! Und wenn wir dann auch noch die Schätze von diesem ... König Salomon aus ... Dingsda ... Jerusalem dazurechnen, die die Westgoten angeblichnach der Plünderung Roms hierher verschleppt haben ... ja ... dann hätten wir ja alles Gold der letzten zweitausend Jahre hübsch beisammen. Oh Gott!« Er schlug theatralisch eine Hand vor seinen Mund und grinste von einem Ohr zum anderen. »Welch ein Zufall! Und alles liegt direkt unter unseren Füßen! Da brauchen wir uns ja nur noch zu bücken und alles einzusammeln!« Mit dem darauffolgenden, schallenden Gelächter stand er allerdings alleine da.
»Banause!« zischte Marie und beschleunigte ihren Schritt. »Aber wir werden ja sehen ... wer am Ende recht behält!«
Sie ist phantastisch! Erst recht, wenn sie sauer ist. Außerdem gingen ihr niemals die Antworten aus. Eigentlich hatte sie immer das letzte Wort ... das war wohl so eine Art angeborener Reflex. Aber so war sie eben ...
»He, Marie! Wenn du trotzdem noch mit mir redest ... Was ist denn das hier?« Pierre hatte in der Felswand, an der sich der Fußweg in Richtung Burg nach oben schraubte, hinter einem Gestrüpp eine mannshohe Öffnung entdeckt, an der sie achtlos vorbeigegangen war.
Marie blieb stehen, drehte sich um und sah ihn immer noch grimmig an, kam dann aber widerwillig zu ihm zurückgeschlendert und warf einen kurzen Blick auf die Öffnung. »Du glaubst mir ja doch nicht! Da kann ich mir meine Spucke auch sparen!«
»Warum? Ist da schon wieder ein Schatz drin?«
Sie sah ihn durchdringend an. »Kann es sein, daß es dir heute irgendwie zu gut geht? Das hört sich für mich alles schwer nach reinem Übermut an.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Das ist doch wieder typisch Mann! Erst ist alles so schlimm, daß morgen die Welt untergeht und dann, ein paar Stunden später – mit einem Bauch voll gebratener Eier – ist alles wieder vergessen!«
Sie war der Grund für seine gute Laune! Egal wie seine Zukunft in der Kirche aussah, er machte sich keine Sorgen darum. Hauptsache, sie war bei ihm! Er zwängte sich durch das Gestrüpp, das den Eingang zu diesem Tunnel fast verdeckte.
»Das ist nur der Ausgang eines Stollens!« erklärte sie und folgte ihm in das dunkle Loch. »Der ganze Berg ist von diesen Gängen durchzogen. Die meisten davon sind mittlerweile aber eingestürzt.«
»Tja«, er sah sich um, »es hat keinen Zweck! Es ist viel zu dunkel hier drin! Laß uns wieder rausgehen.«
»Auch auf die Gefahr hin, daß du mir nicht glaubst ... aber mit diesen Gängen hat es ebenfalls eine besondere Bewandtnis.«
Sie standen wieder auf dem steinigen Weg und wischten sich die Spinnweben von den Sachen.
»Kannst du dir einen Reim darauf machen«, sie ging voran, »warum dieser Bertrand de Blanchefort – als er Großmeister des Ordens war – ausgerechnet deutsche Bergleute hierher geholt hat, die das Stollensystem unter seiner Burg ausbauen sollten? Den Arbeitern war es damals außerdem bei Strafe verboten, mit den Leuten aus der
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