Seelenbrand (German Edition)
der Hund stand und hochsah. »Schöner Mist, mein Freund! Sie ist weg!« Langsam ging er die Stufen wieder hinunter. »Was machen wir jetzt?« Er kraulte dem sabbernden Tier den wuscheligen Kopf und überlegte. »Franziskus, du kommst erst mal mit zu mir ins Pfarrhaus. Wir legen ihr einen Zettel hin.«
Langsam ging er ins Atelier zurück, und sein Blick streifte über die zahllosen Landschaftsmotive. »Franziskus?« Er überlegte und sah zu seinem haarigen Begleiter hinunter, der wiederum müde heraufsah. »Dieser Zacharias hat sie doch nicht alle!« Am Blickdes Hundes sah er, daß der sich offensichtlich keine weiteren Gedanken über seinen neuen Namen machte. »Aber dein alter Herr Saunière war ja schließlich auch nicht ganz normal!« Sie kamen an einer Staffelei vorbei, die mitten im Raum stand. »Diese arrogante Katze, die ich von ihm geerbt habe, heißt doch tatsächlich Dagobert!«
Und weil es dem Hund völlig egal war, was sein unerwarteter Gast da alles redete, konnte es sich Pierre nicht verkneifen, ganz kurz mal unter das Leinentuch zu äugen, welches über das Bild auf der Staffelei gedeckt war. Ja ... aber! Na, so was! Ihm blieb die Luft weg! Auch sein wildes Geräusper half dagegen nichts. Das Petroleum-Schießpulvergemisch hatte gerade seine Zündtemperatur erreicht. Die Hitze, die er auf seiner Haut fühlte, war enorm. Gütiger Himmel! Vorsichtig zog er das ganze Tuch zur Seite. Das bin ja ich! Ein Porträt von mir! Es war zwar noch nicht ganz fertig, aber es gab keinen Zweifel. »Hier, guck mal!« Er tippte seinem vierbeinigen Begleiter auf den haarigen Kopf, der gelangweilt ganz woanders hinsah. »Ist das nicht eine tolle Stirn? Und dann erst dieser entschlossene ... aber gleichzeitig doch auch weise Blick meiner dunklen Augen.« Dem Tier war’s offensichtlich egal ... aber ihm nicht! Irrtum ausgeschlossen! Das war sein Abbild! Sie hatte ihn also heimlich gemalt ... Hm? Was hat das nun schon wieder zu bedeuten? Hastig bedeckte er das Gesicht dieses gutaussehenden Mannes wieder mit dem Leinentuch. Wenn sie jemals erfährt, daß ich hier herumgeschnüffelt habe, dann spricht sie kein Wort mehr mit mir!
Er schob den behäbigen Hund hastig aus der hinteren Tür ins Freie. »Du hast ja gesehen, was sie mit Rodrigues gemacht hat, als der dich geschlagen hat!« Der schwarzhaarige Riese sabberte teilnahmslos vor sich hin und konnte Pierres Aufregung in keinster Weise teilen.
»Komm wir gehen und warten im Pfarrhaus auf sie«, sagte er und schnaufte. »Es ist furchtbar, aber mehr können wir im Augenblick nicht tun.«
Auf der Dorfstraße war niemand zu sehen, als er aus dem Gartentor heraustrat. Das Pfarrkomitee hatte sich wohl an den nächsten Kaffeetisch zurückgezogen und ihm damit das Feld überlassen. Wenn ich es mir recht überlege ... eigentlich haben die alten Drachen noch nie so richtig ... Feuer gespuckt! Langsamging er in Richtung Pfarrhaus. Der Hund trottete neben ihm. Na schön ... dann wollte er auch nicht weiter ungerecht sein ... und die alten Tanten waren ab heute dann eben ... nette ... Drachen. Wenn er bedachte, mit welchem Herzblut die eine der Alten in der Kirche das Harmonium gespielt hatte ... und dann noch unter diesen dramatischen Umständen ... mit Pater Zacharias. Und im Grunde waren sie doch nur um seine Gesundheit besorgt. Daß die hübsche Marie seine Haushälterin war, schien sie in keinster Weise zu stören. Marie ... er seufzte herzzerreißend. Wenn ich dich doch nur wiederfinden könnte! Die ganzen Löcher da unten und die Gruben ... ich hätte einfach besser auf dich aufpassen müssen!
»Hallo, Abbé!« Eine Männerstimme riß ihn aus seinen schlimmen Gedanken.
Er sah auf. »Ach, Jacques!« Wie in Trance war er schon bis zum verkohlten Haus des Totengräbers gelaufen, das auf seinem Weg lag. »Ich danke Ihnen noch mal«, er ließ sich nichts anmerken und riß sich zusammen, »daß Sie mir in der Kirche bei dieser Teufelsgeschichte geholfen haben!«
Jacques nickte dankbar und warf den verkohlten Balken auf den Haufen zu den anderen. Er wischte sich das Gesicht ab und trat an Pierre heran. »Ich will ja nicht schon wieder davon anfangen«, flüsterte er, »vom Teufel meine ich ...« Er machte einige Schritte zurück in seine Ruine und gab Pierre zu verstehen, ihm zu folgen. »Aber ich glaube, das sollten Sie sich ansehen, ich hab’ es erst heute morgen entdeckt.« Der Totengräber führte Pierre in den hinteren Teil des Hauses, dessen Wände mit einer dicken,
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