Seelenbrand (German Edition)
Kopf, während von Rittenberg wieder hinter seinem Schreibtisch verschwand. Was hatte er nur verbrochen, daß man ihn ständig mit solch wahnsinnigen Geschichten bestürmte, so als wäre er der Aufseher in einer Irrenanstalt. Erst die Erkenntnis von Bruder Severin, daß sie alle mit dem Teufel auf dieser Erde lebten, und jetzt dieser von Rittenberg, der ihm weismachen wollte, daß der Sohn Gottes, der Jesus aus der Bibel, mit Maria Magdalena verheiratet war.
»Sitzt Ihre Dienststelle im Vatikan?« Es war wohl besser, den Irren in ein Gespräch zu verwickeln und gnädig zu stimmen. Marie hatte immer noch diese verdammte Kette an ihrem Handgelenk. An Flucht war momentan nicht zu denken.
Von Rittenberg kniff die Augen zusammen und dachte nach. Schließlich legte er seine Waffe liebevoll neben sich auf den Schreibtisch und tupfte sich seine Stirn ab. »Ich weiß nicht, ob es klug ist, mit Ihnen über diese Dinge zu sprechen.« Seine Stimme war wieder kalt und ohne Leben.
»Ich habe herausgefunden, daß es zwei Jesuskinder gab!« Pierre setzte alles auf eine Karte. Wenn sie schon mit diesem Unbekannten hier unten saßen, dann wollte er auch ein paar Antworten auf all die vielen Fragen, die sich über ihm auftürmten.
»Ach wirklich? Wie interessant!« Von Rittenberg machte es sich in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch gemütlich.
»Ich weiß auch, daß Jesus gar nicht gekreuzigt worden ist, sondern sein Zwillingsbruder!« Dieses Spiel – Ich weiß etwas, das du nicht weißt – war zwar kindisch, aber vielleicht reizte es seinen Gegenüber zu einer Reaktion.
»Ach nein!« Von Rittenberg schien schon fast amüsiert. »Was Sie da so alles sagen, das ist ja wirklich beängstigend. Das ist ja schon«, er blickte in die Luft und suchte wohl nach dem passenden Wort, »ja, es ist regelrecht ketzerisch, was Sie da von sich geben.« Er sah ihn scharf an, und seine Zähne blitzten wie die eines Hais.
»Ist es weniger ketzerisch zu behaupten, Jesus Christus, der Sohn des Allmächtigen, sei mit Maria Magdalena verheiratetgewesen?« Der Pfeil ist abgeschossen. Mal abwarten, was jetzt passiert. Sein Gegenüber war bisher jedenfalls noch nicht bereit, sein Wissen mit ihm zu teilen ...
»Sie sind ein intelligenter junger Mensch, Monsieur du Lac. Darf ich Sie fragen, ob Sie aus religiöser Überzeugung in den Dienst unserer Kirche getreten sind?«
»Nein! Mein Onkel wollte es!« Warum soll ich lügen? » Ich wäre lieber Ingenieur geworden!«
»Nein, wie interessant!« Von Rittenbergs hohe Stimme ließ keinen Rückschluß zu, ob er es ernst meinte, oder ob er sich nur an diesem zynischen Katz- und Mausspiel ergötzte. Langsam griff er nach der Waffe, die auf seinem Schreibtisch lag und wischte vorsichtig mit der Hand darüber. »Sehen Sie sich dieses Prachtstück an. Eine Mauser C96, Kaliber 7.63.« Zärtlich glitten seine Finger über den Lauf. »Auch sie ist das Werk schaffensreicher Ingenieure. Präzise, verläßlich und anmutig.«
Dieser Spinner hat eine richtige Liebesbeziehung mit diesem Ding! So etwas Krankes muß man erst mal finden.
»Meine Fähigkeiten«, fuhr von Rittenberg versunken fort, »lagen zwar auf einem anderen Gebiet als die Ihrigen, aber ich stelle fest«, er hob kurz den Kopf und blickte zu Pierre hinüber, »daß wir beide der Mathematik näherstehen als der Theologie.«
Marie hatte sich neben Pierre zusammengerollt und dämmerte vor sich hin.
»Ist es nötig, daß sie angekettet ist?« Er sah zu von Rittenberg hinüber.
Der überlegte nur einen Augenblick, stand auf, goß ein Glas Wasser ein und kam herüber ... aber nicht ohne seine Mauser. »Dürfte ich Sie bitten, dort hinüberzutreten?« Er gab Pierre mit einem Wink zu verstehen, sich von Marie zu entfernen.
Ein vorsichtiger Fuchs! Immer auf der Hut!
»Ich stelle Mademoiselle das Wasser hierher, wenn es recht ist.« Mit wenigen Handgriffen war die Kette gelöst, ohne daß Marie Notiz davon genommen hatte.
Sie lag zitternd auf dem Polstersack. Ihr Weinen war mittlerweile verstummt.
»Hinter Ihnen«, er deutete in eine Ecke, »liegt eine Decke.« Langsam ging er wieder zu seinem Schreibtisch, während Pierre sie zudeckte und liebevoll auf die Stirn küßte.
Armes Ding! Aber wer konnte denn auch eine derartige Enthüllung erwarten? Das kostete natürlich Kraft!
»Bitte setzen Sie sich zu mir!« Von Rittenberg deutete auf die hölzerne Kiste vor seinem Schreibtisch. »Da ich hier unten bislang noch keinen Besuch empfangen habe,
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