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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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haben!
    »Ich glaube Ihnen, Claude.« Pierre nickte und entließ den kraftlosen Jammerlappen aus dem Würgegriff seiner Augen.
    »Unser ... toter Pfarrer taucht immer wieder an der Kirche auf«, flüsterte er und ließ sich seufzend auf der großen Eichentruhe nieder, die Pierre in der Nacht vor die Kellertür gezogen hatte. »Der arme Jacques ... also der Totengräber ... der den Alten eigenhändig vergraben hat ... ist darüber völlig irre geworden.« Er blickte mit vertränten Augen zu Pierre hoch, der immer noch schweigend vor ihm stand und seinen Gast streng musterte. »Der Spinner hat doch glatt sein eigenes Haus angesteckt ... und dabei«, verzweifelt fuhr er sich mit der schmuddeligen Hand über den fast kahlen Kopf, »haben wir an dem Tag nicht mal was gesoffen! Keinen Tropfen!« Er hob seine rechte Hand. »Ehrenwort!« Mit Tränen in den Augen saß er da. »Ich versteh’ einfach nicht, was mit ihm plötzlich los ist? Sie hätten ihn mal hören sollen, den ... Teufel wollte er verbrennen, weil der jede Nacht zu ihm kam ... sogar auch an Tagen, an denen wir stocknüchtern waren.« Olivier versagte die Stimme. »Er hat es einfach nicht mehr ausgehalten ... mit diesem Satan!«
    »Erzählen Sie mir noch mehr über die Kirche.« Pierre setzte sich ruhig neben ihn auf die Truhe. »Was ist dann passiert, nachdem der Alte alle Handwerker entlassen hat?«
    »Mehrere Wochen war gar nichts.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben nur bemerkt, daß er heimlich angefangen hat, auf dem Friedhof hinter der Kirche zu graben. Jede Nacht! Fragen Sie Madame Pauline von gegenüber«, nickte er eifrig, »sie hat ihn in der Dunkelheit mit der Laterne herumschleichen sehen. Sogar unser Herr Bürgermeister war bei ihm! Wir wollten einfach nicht, daß er die Ruhe unserer Toten störte.« Fassungslos schüttelte er seinen verschwitzten Kopf. »Jeden Morgen war auf dem Friedhof alles aufgewühlt und mein Freund ... der Totengräber ... mußte alles wieder zuschütten, bevor die ersten Leute kamen!
    Schließlich sind wir irgendwann alle zum Bürgermeister, um uns zu beschweren!«
    »Hat er etwas gesucht?«
    »Der irre Jacques, der auf dem Friedhof arbeitet, hat mir erzählt, daß morgens immer frische Erde irgendwo auf den Gräbern lag.« Angewidert verzog Olivier das Gesicht. »Der alte Schweinehund hat nicht nur in der Erde gewühlt ... er hat sogar unsere Toten ausgegraben!«
    »Sie meinen, er hat die Gräber geöffnet?«
    »Ja, und nicht nur das! Außerdem hat er alle Grabsteine verrückt. Und was das Seltsamste war ...«, Olivier zögerte, »... er hat angefangen, an seinem eigenen Grab zu schaufeln.« Er wandte sich Pierre zu und sah ihm direkt ins Gesicht. »Also wenn Sie mir nicht glauben«, stotterte er aufgeregt, »dann fragen Sie den Totengräber, der hat ihn selbst dabei erwischt.« Erschöpft machte er eine Pause und hustete. »Und genau an der Stelle wollte der Alte dann später begraben werden!« Er faßte sich an seinen roten Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Sagen Sie mir, was dann geschehen ist«, murmelte Pierre ihm fast hypnotisch ins Ohr. Es war ihm zwar rätselhaft, wo dieser grobschlächtige Kerl noch einen derart weichen Kern versteckt hielt, aber im Augenblick war er Wachs in seinen Händen. Auf jede seiner Fragen hatte er bislang bereitwillig geantwortet, daß es so aussah, als wäre diese Beichte eine Erlösung für seine Seele.
    »Nach ein paar Wochen war der ganze Spuk vorbei, und wir sollten wiederkommen und die Kirche renovieren.« Olivier war auf den Alten offensichtlich nicht besonders gut zu sprechen. »Erst hat er uns wie Hunde weggejagt und dann sollten wir wieder für ihn arbeiten.« Kopfschüttelnd sah er vor sich auf den Boden der Diele und scharrte mit dem Absatz auf einer Bodenfliese herum. »Aber ich muß ja auch von irgendwas leben ...« Nachdem er den folgenden Hustenanfall zu Pierres Erleichterung endlich hinter sich gebracht hatte, fuhr er schließlich fort. »Und dann mußte alles ganz schnell gehen. Der Alte hatte die Pläne für den Umbau selbst gezeichnet. Und während der Arbeiten hat er uns keinen Moment aus den Augen gelassen, damit wir ja alles so machten wie er es geplant hatte.« Diese Beaufsichtigung ging Olivier wohl noch heute an seine Handwerkerehre. »Außerdem hat er noch diese seltsamen Steinfiguren von irgendwoher kommen lassen und in der Kirche aufgestellt. Unseren schönen alten Kreuzweg mußten wir rausreißen und gegen einen neuen austauschen,

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