Seelenbrand (German Edition)
daß dieser davon Notiz nahm.
»Er hat Gott umgebracht!« Geschüttelt von allen Dämonen der Hölle verlor der Gefangene jede menschliche Regung. Die Männer wichen nun eiligst einige Schritte zurück. »Er hat ihn umgebracht!« schrie er immer wieder. »Umgebracht!« Schaum trat ihm vor den Mund. »Wir sind alle verloren!«
Er fiel auf die Knie und schluchzte herzzerreißend. »Der Teufel hat uns in seiner Hand! Uns alle!« Mit Gewalt versuchte er die Kette aus der Wand zu reißen. »Laßt mich gehen!« Er raste. »Ein Grab für mich und für euch alle!«
Wie vom Blitz betäubt sackte er zu Boden, und nur ein Hauchen war noch zu vernehmen: »Er ist tot, er ist tot!«
7
Schnurrend strich das Katzentier um seine Beine.
»Ach, auch schon wach?«
Das Sahnehäubchen auf seiner Tasse Kaffee wurde durch die kreisenden Bewegungen des Löffels langsam in Rotation versetzt.
Madame Pauline – von der Pension gegenüber – hatte ihm den eigenwilligen Mäusefänger überlassen.
Der kleine Sahneberg drehte sich schneller und schneller, ein Inferno kündigte sich an.
Dieser faule Kater mit dem einen Auge gehörte wohl schon seinem Vorgänger, dem alten Abbé Saunière.
Plötzlich öffnete sich ein Schlund in seiner schwarzen Kaffeebrühe und ein Strudel sog – wie ein finsteres Maul – den kleinen weißen Berg in die dunkle Tiefe, in der sich seine Spur verlor.
Die Katze wurde immer zudringlicher und begann zu mauzen. Er nahm eine Untertasse vom Tisch, füllte sie mit Sahne und stellte sie neben sich auf den Boden. »Da! Die Anzahlung für die Mäusefängerei! Bis jetzt hab’ ich aber noch nicht viel Einsatz von dir gesehen!« Müde strich er sich durch seine Haare. Dieses einäugige Tier lag zwar den lieben langen Tag in irgendeiner Ecke herum ohne etwas zu tun, aber seitdem es hier war, waren die Mäuse – die das ganze Pfarrhaus hinter den Kulissen wohl schon übernommen hatten – wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht waren sie ja alle in den Keller verschwunden, vor dessen Tür er abends immer noch die schwere Truhe zog. Da die verfressenen Nager neben den Vorräten auch die Bücher im Arbeitszimmer anknabberten, hatte er vorsorglich diese handschriftlichen Aufzeichnungen über die Geschichte seiner Pfarrei – die unter dem unheimlichen, aber auch nichtssagenden Titel Totenstadt zusammengefaßt worden waren – in dieser massiven Kiste weggeschlossen.
Das Katzentier wurde wieder zudringlich, die Sahne war weg, und es leckte sich die Reste von der Pfote. Er blickte sich in der Küche um. Wo ist denn nur dieses Zeug hingekommen? Irgendwo hatte Madame Pauline doch einen Napf mit Futter hingestellt. Gähnend erhob er sich von seinem Stuhl. Der Tag gestern beidiesem irren Würger steckte ihm immer noch in den Knochen.
»Du interessierst dich doch sonst auch nicht für mich, tu doch nicht so!« Der schäbige Vierbeiner wich nicht von seiner Seite. »Dagobert«, er sah zu ihm hinunter, »was ist das überhaupt für ein Name für eine Katze?« Als er dem Tier seinen Freßnapf füllte, wandte er sich ab, um ja nichts von dem fischigen Geruch abzukriegen. »Bah! Wie kannst du dieses Zeug am frühen Morgen schon runter kriegen?« Angeekelt legte er sich seine Hand auf den Bauch.
»Ich werde in meinem ganzen Leben nie wieder einen Bissen essen«, stöhnte er und setzte sich an den Küchentisch. Ja, gestern ist es wirklich spät geworden. Erst nach Sonnenuntergang hatte er die Tür vom Pfarrhaus aufgeschlossen. Da seine Soutane den ganzen Nachmittag in der Sonne getrocknet hatte, blieb ihm wenigstens eine Heimkehr in der Gendarmenuniform erspart. Uah! Ist mir schlecht! Sein Magen pochte und fühlte sich an, als hätte er ein Pfund dieser Schrotkugeln übersehen und versehentlich heruntergeschluckt.
»Oh, dieser Iwan!« jammerte er in Richtung Katze, die gerade ein Fischauge zerkaute. Den Hasenbraten hatte er ja noch genossen, aber das darauf folgende Abendessen war einfach zuviel des Guten.
»Borschtsch! Ein Gericht aus meiner Heimat!« hatte der Dicke am Abend stolz verkündet. »Meine Frau hat uns extra einen besonders großen Topf gekocht.« Als dieser Kübel mit der Kohlsuppe gerade auf den Tisch kam, war er schlauerweise schon aufgestanden und wollte sich gerade verabschieden. Da machte das Walroß unerwartet den entscheidenden Schachzug. »Sie wollen doch nicht etwa mein Volk beleidigen, oder?« Pierre schüttelte sich bei dieser Erinnerung und schob den Teller mit dem frischen Brot beiseite. Natürlich
Weitere Kostenlose Bücher