Seelenbrand (German Edition)
seine Entdeckerfreuden.
Unter der Holztreppe, die vom Flur in die oberen Stockwerke führte, gab es, ähnlich wie im Pfarrhaus, eine schwere Tür mit einem Riegel, den Zugang zum Keller. Den nehme ich mir später vor! Er vergewisserte sich, daß der eiserne Schieber auch wirklich geschlossen war, damit ihm von dort unten nichts in den Rücken fallen konnte. Aus diesem Grunde hatte er – nach einem kurzen Geistesblitz – auch die aufgebrochene Terrassentür, durch die er hereingekommen war, von innen provisorisch wieder verriegelt.
Zu seiner Verwunderung gab die Holztreppe keinen Laut von sich, als er sie langsam hinaufschlich, kein Knarren, kein Quietschen. Typisch! Immer wenn man glaubte, ein Prinzip durchschaut zu haben und die Dinge vorhersagen zu können, so wurde man von Neuem überrascht. Und eben aus diesem Grund war er froh, diese Schaufel in den Händen zu halten. Er haßte Überraschungen!
Im oberen Flur schlich er durch einen langen, mit einem übertrieben flauschigen Teppich garnierten Flur. Von hier gingen – ähnlich schmucklos wie in einem Hotel – die Türen zu den Zimmern ab. Die letzten am Ende des Ganges lagen in der Dunkelheit, die übrigen, die er sehen konnte, waren alle geschlossen und von außen steckte jeweils ein Schlüssel.
Verdammt! Da war doch was! Instinktiv duckte er sich an der Wand und bereitete sich auf den Einsatz seines Prügels vor. Da! Noch mal! Verdammt! Er äugte vorsichtig über das Treppengeländer in den Flur hinunter. Nichts! Ja, ja, das hast du dir sicher nur eingebildet ... weil das Haus so unheimlich ist. Aber ich bin doch noch nicht senil! Auf meine Sinne habe ich mich immer noch verlassen können. Einige Minuten saß er absolut regungslos im dämmrigen Licht und lauschte. Nichts!
Er holte tief Luft und erhob sich langsam aus der Hocke. Leise schlich er zum Fenster des Flurs hinüber. Während er mit roher Gewalt die festgerosteten Scharniere der Fensterläden aufdrückte, verfingen sich seine Haare in einem dichten Netz aus Spinnweben, die er in der Dunkelheit übersehen hatte. Widerlich! Aber wenigstens hatte er jetzt Licht. Nach kurzer Überlegung entschied er sich, nicht jedes dieser Zimmer in Augenschein zu nehmen, denn es waren ganz offensichtlich – er öffnete langsam die Tür des ersten Raumes auf dem Flur und sah hinein in das dämmrige Dunkel – nur die Schlafräume für die glücklich Pensionierten. Bett, Tisch und Stuhl, Schrank und Schreibtisch. Das war alles, mehr gab es hier nicht zu sehen.
Er verharrte. War es wieder da, dieses komische Geräusch? Einen Moment hielt er inne, aber er konnte beim besten Willen nicht ausmachen, aus welcher Richtung es kam. Über ihm war nur noch der Dachboden. Vielleicht von dort?
Vorsichtig schlich er von Tür zu Tür, drehte dabei jeden Schlüssel einmal nach rechts und überzeugte sich mit einem kurzen Niederdrücken der Klinke, daß sie nun verschlossen war. Also dieser Teppich ist ja grauenhaft! Weibisch flauschig! Hier sollten doch Männer einziehen?
Die Treppe führte in einem leichten Schwung in das oberste Stockwerk, unter das Dach. Ihm war zwar nicht wohl bei der Sache, aber den Dachboden mußte er sich unbedingt noch ansehen. Keller und Dachböden – dieses Gefühl war er zeit seines Lebens nie losgeworden – waren die unheimlichsten Orte jedes noch so gemütlichen Hauses. Sie gehörten einfach nicht dazu, sondern waren wie ein kleiner Friedhof in den eigenen vier Wänden. Vergessenes, Kaputtes, Verschollenes und Treibgut, alles sammelte sich irgendwie am Rande des Lebensstroms in diesen Becken. Von daher war er auch nicht überrascht, daß sein erster Blick auf einen Haufen wild durcheinanderstehender Holzkisten fiel, deren fremdartige Aufschriften er in der Dunkelheit aber nicht sofort entziffern konnte.
Dort hinten fiel Licht herein. Er schlich hinüber, und nachdem er einige Augenblicke dort am Fenster gelauscht hatte, ob sich hier oben etwas bewegte – von irgendwo mußte dieses undefinierbare Geräusch ja schließlich stammen – öffnete er mit seinem Gartengerät als Brechstange den Fensterladen. Das grelle Licht überschwemmte sofort den ganzen Raum, und mit einem Schlag war die Szenerie völlig verändert. Es war eben doch nur ein gewöhnlicher Dachboden! Was denn auch sonst?
Er beugte sich hinaus und sah unter sich die Straße und den Hauseingang, vor dem er gerade noch gestanden hatte.
Dann mußte doch da oben – er drehte seinen Kopf so weit es ging – ja, die Christusstatue
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