Seelenbrand (German Edition)
dabei liegt die Kirche auf der einen ... und der Turm genau an der entgegengesetzten Seite des Anwesens.
Sein Blick sprang ständig zwischen beiden Gebäuden hin und her. Hm ... im Pfarrhaus riecht es definitiv nicht ... und hier oben – er schnüffelte zweimal – auch nicht. Und dabei – er sah hinunter auf das Dach des Pfarrhauses – liegen die Villa und seine bescheidene Behausung genau in der Mitte zwischen der Kirche und dem Bilderverlies. Warum also stinkt es nur an diesen beiden Stellen, nicht aber in den Gebäuden dazwischen? Und auf dem Friedhof roch man auch nichts. Genausowenig wie dort unten in der Halle mit dem Pentagramm. Und in der Kirche darüber, konnte es kein Mensch länger als zehn Minuten aushalten. Also, das paßt doch alles nicht zusammen. Wirklich seltsam!
Was ihn aber zu seinem zweiten Problem brachte: Wie um Himmels willen soll ich in dem Gemäuer jemals eine ordentliche Messe abhalten? Hm ... tja, keine Ahnung! Er hatte seit gerade zwar eine mehr oder weniger willige Haushälterin, dafür aber auch ein paar argwöhnische Drachen im Nacken, die von ihm irgendwann endlich eine anständige Messe in der Kirche erwarteten. Sorgenvoll machte er einen tiefen Atemzug. Aber solange er dieses finstere Gotteshaus nicht benutzen konnte, war an eine normale Arbeit, so wie sie ihm der Bischof aufgetragen hatte, nicht zu denken.
Schnaufend richtete er sich auf und klopfte den Staub ab, als ihm diese auffällig gestapelte Wand aus Holzkisten auffiel. Und was war das? Wild verstreut lagen überall beschriebene Seiten herum, so als habe ein Wirbelwind hier oben eine Runde gedreht und den Dachboden dann in diesem Zustand hinterlassen. Hinter diesem wohl nicht zufällig errichteten Stapel aus den leeren Transportkisten stand eine große Truhe mit geöffnetem Deckel. Sie war über und über mit losen Blättern gefüllt, mit Briefen, großen und kleinen Zetteln, und alles war wild durcheinandergewühlt. Er hob eine Seite auf, die zufällig an seinem Fuß lag.
Hm? Eine Liste, auf der Geldeinnahmen vermerkt sind und Namen und Orte ... Und hier ... noch eine. November 1904 ... April 1903 ... Aber was sind das für Beträge? Das können doch unmöglich die Einnahmen des alten Abbé sein ... das wäre ja unglaublich ...
Weiter kam er mit seinen Gedanken nicht, als plötzlich, ohne Vorwarnung, die Wand aus den gestapelten Holzkisten kurz zu wackeln begann und dann sofort auf ihn stürzte. Mit lautem Gepolter krachten die meisten Kisten an ihm vorbei und trafen nur die Truhe mit den Papieren. Nur ein kleineres Holzbehältnis mit dem Absender Mexiko – aber dafür hatte er jetzt keine Zeit – erwischte ihn am Kopf. Reflexartig griff er sich an die schmerzende Augenbraue und betrachtete dann besorgt seine Handfläche. Nein! Kein Blut! Plötzlich stieß eine Gestalt in wilder Flucht hinter dem zusammengestürzten Stapel hervor und schoß durch die umherfliegenden Sägespäne auf die Tür zu.
Als Pierre schließlich bewußt wurde, daß ihn die gigantische Kiste aus Bombay nur um ein Haar verfehlt hatte, war diese hinterhältige, schwarzgekleidete Person bereits durch den einzigen Ausgang entwischt.
»Hey!« rief er wütend. Mit wilden Tritten nach rechts und links bahnte er sich einen Weg durch das Kistendurcheinander. »Jetzt reicht’s aber!« Wenn er dieses feige Etwas zu fassen bekam, dann würde er vergessen, daß er Pfarrer war.
Er schob sich mit seinen kräftigen Händen ruppig die Ärmel hoch und raste schnaubend vor Wut auf die Tür zu, durch die diese heimtückische Kreatur verschwunden war. Zu schade, daß er in der Eile nicht mehr wußte, wo er diese verdammte Schaufel hingestellt hatte.
Das Poltern auf der Treppe zeigte, daß der Hase schon einen Vorsprung vor seinem Jäger hatte. Wenn nötig, würde er die Wahrheit aus diesem listigen Subjekt herausprügeln. Na, warte! Jetzt gab es kein Halten mehr. Für die Untat, die er gleich begehen würde, verordnete er sich schon mal im voraus zwei Ave-Maria und Vaterunser .
Sein Blutdruck stieg, und sein Herz hämmerte wie eine Dampfmaschine, als er die Treppe herunterstürzte. Die schwarze Figur war bereits ein Stockwerk tiefer und hastete weiter Richtung Erdgeschoß. Wenn du unten bist, hab’ ich dich! Na warte! Seine Wut steigerte sich mit jeder Sekunde. Er hatte sich zwar schon lange nicht mehr geprügelt, aber jetzt war es unausweichlich. Kirchenmann hin oder her! Die unchristlichen Gedanken überkamen ihn wie eine wilde Flut, die aus einem
Weitere Kostenlose Bücher