Seelenbrand (German Edition)
zerstörten Staubecken in die Tiefe schoß und jeden Verstand mit sich riß. Ein Gefühl, wie er es ewig nicht mehr gespürt hatte ... aber er betrachtete es als Notwehr.
Mit wildem Gepolter stürzten beide die Treppen hinunter. Er konnte immer nur einen Zipfel des schwarzen Umhangs erkennen, bevor der Lump, dessen Gesicht er immer noch nicht gesehen hatte, um die nächste rettende Ecke hechten konnte. Ein lauter Knall hallte plötzlich durch das Treppenhaus, als Pierre die letzten Stufen zum Erdgeschoß herunterpolterte und gerade nochsah, wie das Kapuzenphantom durch die geöffnete Kellertür verschwand und sie laut hinter sich zuschlug.
»So! Jetzt hab’ ich dich! Mistkerl!« schrie er.
Er war derartig in Rage, daß er die schwere Kellertür am liebsten aus ihren Angeln gerissen hätte und bei seinem Körperbau wäre ihm das auch garantiert gelungen. Aber letztendlich war der unbändige Wille, diesen feigen Kerl in die Finger zu bekommen, stärker als seine Wut auf diese Tür. Er riß sie wie ein tobender Bär los und donnerte sie mit voller Wucht gegen die Wand.
Da vorne rennt er!
Die verdammte Kellertür hatte ihn tatsächlich einige Sekunden gekostet, und das brachte ihn noch mehr zum Schäumen. In wilder Flucht hastete das Wild die hölzerne Treppe hinunter ... nur wenige Meter vor ihm. Mit halsbrecherischen Sätzen versuchte Pierre seinen Rückstand wieder aufzuholen.
Der Kapuzenmann schien sich hier unten auszukennen und rannte wie von allen Teufeln der Hölle gejagt in eine Nische und ... ein Geräusch ... dann war er weg!
Pierre stürzte wie ein wildgewordener Bulle nur einen Bruchteil später in dieselbe Ecke und wäre – hätte ihn nicht der kümmerliche Rest seines männlichen Verstandes davon abgehalten – am liebsten mit dem Kopf durch die Ziegelwand gedonnert!
»Verdammt!« schrie er und hämmerte mit seinen Pranken gegen die Wand. »Verdammt! Verdammt!«
Gleich würde er platzen! Der Dampfhammer lief mit voller Kraft! Er griff sich den nächstbesten Gegenstand und zertrümmerte ihn mit voller Wucht. Und da noch einen! Rums! Die zwei Stühle, die ahnungslos umherstanden, zersplitterten bei ihrem Aufprall auf die Wand in feinste Stückchen. Die Gewalt, die in ihm tobte, war grenzenlos! Keuchend ließ er sich schließlich auf dem letzten der Sitzmöbel, das er verschont hatte, nieder.
Verdammt! Ich war so nah dran! Diese verfluchte Tür da oben war’s. Er hat’s genau gewußt! Noch immer außer Atem und mit einer unbändigen Wut im Bauch ... nur gut, daß weder der Bischof noch seine liebe Familie in der Nähe waren. Jetzt hätte er reinen Tisch gemacht und seine Sachen gepackt. Auf irgendein Schiff und dann weg. Die Welt war doch schließlich groß genug!
Auf den ersten Blick machte die Wand einen massiven Eindruck, er erhob sich und sah sie sich genau an. Geheimgänge! Soetwas in der Art hatte er sich schon gedacht, als dieses Phantom plötzlich auf dem Friedhof verschwunden war. Natürlich! Jetzt ergab auch die Geschichte mit Maries Hund in der Kirche einen Sinn. Der Schrank im Nebenraum mußte – genau wie hier – die Tür zu einem geheimen Tunnel sein. Deshalb hatte der Hund dort die Witterung verloren. Aber wo sollte denn das hinführen, wenn er ab heute überall mit versteckten Durchgängen rechnen mußte. Dann wäre er ja selbst in seinem eigenen Pfarrhaus nicht mehr sicher. Wie sollte er dann überhaupt noch ruhig schlafen können? Er müßte ja ständig damit rechnen, daß irgend etwas in seiner Kammer umherschlich, sobald er die Augen schloß.
Von jetzt an wußte er zwar, mit welchen Mitteln hier gespielt wurde, aber beruhigen tat ihn das in keinster Weise. Er sah sich jeden Ziegel der Wand an, ob er in irgendeiner Form auffällig war. Aber ... Ziegel war Ziegel ... keine Tür!
»Verdammt!« rief er noch einmal und trat mit dem Fuß gegen die Steine. »Aber ich komme wieder!«
Er wollte sich gerade umdrehen, um sich hier unten wenigstens noch umzusehen, als ihm direkt vor der Wand ein grüner Halm oder ein kleines Pflänzchen auffiel. Es war der abgerissene Teil eines Strauchs, oder einer Blume, ihm sagten diese drei Blättchen mit ihrer Blüte jedenfalls nicht viel.
Aber ... man kann ja nie wissen. Vorsichtig wickelte er es in ein Stück umherliegendes Papier und ließ es in einer seiner Taschen verschwinden.
Die Luft war heiß und schwül geworden. Er zog die aufgebrochene Terrassentür hinter sich zu und betrachtete intensiv die Papiere, die er sich noch vom
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