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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Steinen errichteten Wänden, die das Feuer – von Rauch geschwärzt – überstanden hatten.
    Dort auf der anderen Seite des Zimmers, er sah genau hin, ja, da hing noch ein Kruzifix an der Wand. Das verkohlte Holz knackte und zerbrach unter seinen Füßen, als er durch die Haustür eintrat und sich langsam darauf zubewegte. Es hatte die Feuersbrunst überstanden, zwar geschwärzt, aber sonst unversehrt. War es ein Fingerzeig Gottes, daß er ihn hier unten nicht vergessen hatte? Ein Zufall? Er entschloß sich jedenfalls das steinerne Kreuz abzunehmen und in seinem Pfarrhaus aufzubewahren. Als er es mit der Hand ergriff und von der Wand nehmen wollte, fiel etwas aus einem kleinen – vom Kruzifix verdeckten – Loch in der Steinwand und verschwand klimpernd zwischen den Holzkohleresten auf dem Fußboden.
    Fast wäre ihm schon wieder ein Fluch entfahren. Ja, ja, er wußte schon Bescheid, als Pfarrer durfte man so etwas nicht, aber – sein Arm steckte gerade bis zum Ellenbogen in dem verkohlten Holzhaufen und wühlte nach dem Klimperding – das Leben war an manchen Tagen verdammt anstrengend. Ah! Da ist es! Seine Finger ertasteten etwas, das sich wie eine Kette mit Anhänger anfühlte. So, noch ein bißchen . .. Jetzt hab’ ich’s!
    »Ganz schönes Durcheinander, was?« polterte eine Stimme hinter ihm ohne Vorwarnung los. »Machen Sie sich nich’ dreckig!«
    Er fuhr herum, und da stand dieser fürchterliche Handwerker Olivier. Der hatte schon wieder sein dämliches Grinsen aufgelegt und stützte seine Hände in die Seite. Den Zigarrenstummel hatte er zwischen den Zähnen eingeklemmt, wie beim letzten Mal.
    Dieser Blödian hat mir gerade noch gefehlt!
    »Üble Sache«, grölte Olivier herüber und kam in den Vorgarten, während er seinen Hut in den Nacken schob. Die schwüle Hitze ließ seinen Schweiß in Strömen fließen, der Geruch war eindeutig.
    Blitzartig zog Pierre seine Hand aus dem Holzhaufen und ließ sie in einer Tasche seines Gewandes verschwinden. Olivier hatte davon offensichtlich nichts bemerkt und kratzte sich ungeniert seinen fetten Bauch.
    »Suchen Sie was, Herr Pfarrer?« Er nahm seinen abgelutschten Zigarrenstummel zwischen die Finger und spuckte in die Blumen. Bevor Pierre antworten konnte, donnerte es in der Ferne. Olivier blickte prophetisch in den Himmel und nickte. »Das gibt heute noch was, und zwar nicht zu knapp!«
    Dieser kleine Augenblick reichte Pierre, um sich wieder zu sammeln, nachdem der grobe Klotz ihn derartig überfallen hatte. Würdevoll erhob er sich aus der Hocke und ergriff das Kruzifix. Olivier stand immer noch provozierend neugierig vor den Resten der Haustür herum und beobachtete ihn genau, sein freches Grinsen von einem Ohr bis zum anderen. Vielleicht glaubte er, den Pfarrer bei irgend etwas erwischt zu haben ... Hatte er ja auch!
    »Ich bin hier ...«, Pierre hob das Kreuz in die Höhe und schritt wie ein Vampirjäger auf Olivier zu, »... um diesen Ort zu reinigen!«
    Olivier verging von einer Sekunde auf die andere sein dreckiges Grinsen – er war übrigens wieder unrasiert. Hastig riß er sich den Hut vom Kopf und bekreuzigte sich mehrmals. Jetzt schwitzte er noch mehr als vorhin.
    Geschieht dir ganz recht! » Dieser Ort muß gesegnet werden!« fuhr er feierlich wie ein Zeremonienmeister fort und sah Olivier streng an, der furchtsam zu Boden blickte und seinen Hut vor der Brust zusammenknitterte. »Denn dieses ist ein Ort der Sünde!« Ein wahrhaft lächerliches Theaterspiel!
    Es donnerte.
    Mit ausladenden Bewegungen segnete Pierre das Innere der Ruine und zeichnete mit der rechten Hand ein Kreuz in die Luft. Wie ein armes Sünderlein stand der Handwerker immer noch mit gesenktem Kopf im Vorgarten, seinen Zigarrenstummel hatte er vorhin schnell ausgespuckt.
    »Du darfst jetzt gehen, mein Sohn!« befahl Pierre würdevoll.
    Eifrig nickend und sich bekreuzigend wollte sich der unrasierte Grobian gerade schleunigst aus dem Staube machen, als Pierre ihn nochmals mit schneidender Stimme ansprach.
    »Aber bevor du gehst, mein Sohn ...«, Olivier verharrte wie elektrisiert in seiner Bewegung und erwartete wohl so etwas wie das jüngste Gericht, »... bevor du gehst ...«, wiederholte Pierre mit unüberhörbarer Strenge, »... wirst du mir sagen, wo ich euren Bruder Severin finde!«
    Unschlüssig, ob das alles war, was der Pfarrer von ihm wollte, wischte sich Olivier mit seinem nackten Unterarm den strömenden Schweiß von der Stirn. Es donnerte wieder in der Ferne, diesmal

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